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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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ihnen legt Jim seine Falle.
    Die Falle selbst funktioniert wie ein Tor, durch das der Biber gehen muss. Einen Köder in Form von Fleisch oder Käse gibt es hier nicht, da der Biber Vegetarier ist. Kleine Ästchen, die Jim mit dem Draht zu einem Bündel zusammenbindet und an einem der Eisenbügel aufhängt, lösen bei Berührung die Feder aus. Zwei rechteckige Eisenbügel, die in einem Winkel von 45 Grad gespannt werden, schnappen dann blitzartig zusammen und klemmen den Kopf des Tieres ein – ein schneller Tod. Jim rammt zwei armdicke Stämme im Abstand von etwa fünfzig Zentimetern in den Uferbereich. Dazwischen hängt er die Falle, verdeckt das Eisen so gut es geht mit trockenem Gestrüpp, versperrt die Nebenwege mit Ästen und zieht schließlich mit großer Anstrengung die Eisenbügel 45 Grad auseinander und bringt eine Sicherung an. Dann watet er mit kniehohen Gummistiefeln bedächtig durchs Wasser, prüft seine Fallenkonstruktion wie ein Kunstwerk und legt hier und da noch einige Zweige zur Tarnung darüber.
    Das nasse Eisen kann ich in der kalten Luft riechen. Um uns herum ist es totenstill.
    »Morgen früh kommen wir zurück und gucken, ob sich der Biber davon hat beeindrucken lassen«, meint Jim abschließend, löst die Sicherung und trocknet seine geröteten Hände an der Jeanshose.
    Am nächsten Morgen ist kein Biber in der Falle. Und auch die folgenden Tage liegt kein totes Nagetier im Wasser. Jim ändert seine Strategie und legt zusätzlich zum Genickbrecher eine Fußfessel in den Uferbereich. Vom ursprünglichen Pfad rückt er ab und entdeckt dabei weiter rechts in einem kleinen Tannenwald das Versteck und die Gänge des Bibers. Es vergehen drei weitere Tage. Kein Biber. Ich frage Jim, ob der Kerl vielleicht weitergezogen sei – jetzt, wo er Gefahr wittere. Jim schüttelt den Kopf, und sein dichter, lockiger Pferdeschwanz wiegt dabei leicht hin und her. »Nein, er findet einfach immer einen Weg dran vorbei. Der weiß nicht, was eine Biberfalle ist. Er sieht, da ist was im Weg, geht drumherum und macht weiter sein Ding.«
    Jeden dieser Tage schaue ich zu den Birken und Tannen am Ufer des Teichs, um zu sehen, ob sie der Biber bereits umgelegt hat. Sie bleiben stehen. Immer wieder höre ich in den Morgen- und Abendstunden den Motor des Gators am Uferbereich.
    Der Biber lebt weiter.
    Am achten Tag um 7.30 Uhr in der Früh durchfährt ein Schuss die Morgenstunde. Sofort stelle ich meine Kaffeetasse auf dem Küchentisch ab, starre auf den Kühlschrank und sage laut: »Der Biber!«
    Ich schnappe mir meine dicke Jacke aus der Garderobe und trete raus auf die Veranda. In der Tat steht hinterm Pond der knallgrüne Gator. Ich eile noch mal in die warme Küche und hole das Fernglas, das immer beim Radio bereitsteht. Nun sehe ich Jim im Tannenwald, erspähe durchs Glas, wie er ein riesiges braunes Etwas aus dem Wasser zieht. Mir entfährt ein Jubelschrei, obwohl nicht ich diejenige bin, die das Tier erlegt hat. Jim sammelt die Falle ein und legt seine Beute auf die Ladefläche des Fahrzeugs. Ich lasse mein Fernglas sinken und trete an den Wegrand. Wenige Augenblicke später kommt der Gator herangerattert. Jim hält und steigt aus.
    Da liegt der Biber. Er ist in die Fußfessel gegangen, und Jim hat ihn mit einem Genickschuss erlegt. Ich betrachte seine kleinen Ohren, den typisch brettartigen Schwanz und die Schwimmflossen an den schwarzen hinteren Füßen. Jim ist sehr stolz und sieht richtig glücklich aus. »Na, einfach hat er es mir nicht gemacht. Aber gekriegt habe ich ihn trotzdem.«
    »Das wird eine besonders schöne Mütze, Jim.«
    »Im Winter ist ihr Fell dicht und warm – ja, das trifft sich gut.«
    Ich schaue auf den breiten leblosen Körper des Tieres und kann nicht anders, als zu sagen: »Das Risiko muss man eingehen, wenn man von zu Hause ausreißt.«

4
    Ic h kam zunächst bei Freunden eines Freundes meiner Eltern unter, die mir das Gästezimmer in ihrer Wohnung in der Schlüterstraße 19 in Charlottenburg anboten. Mit mir war ein Säugling in die Familie gekommen, und es gab abends oft Sushi vom Take-away, Süßsauer vom Chinesen, Antipasti vom Italiener. Hier wurde nicht jeden Abend aufwendig gekocht, so wie ich es von zu Hause kannte. Take-away zum Abendessen war mir völlig fremd. Das Leben in der Wohnung war turbulent und vom regen Besuch unterschiedlicher Bekannter und Verwandter geprägt.
    Ich beneide niemanden, der in jener Zeit mit mir zusammenleben musste. Ich war verunsichert,

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