Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
Vom Netzwerk:
isolierte mich automatisch vom Rest der Schülerschaft. Während die anderen aßen, aß ich eben nicht.
    Wenn Dienstag und Donnerstag Chicken Pot Pie serviert wurde, brachte ich keinen Bissen runter. In der gelblichen Fettsauce schwammen vereinzelte Erbsen und Karotten, an den unkenntlich gewordenen Resten des Hühnchens hing noch der Knorpel, und das Zeug, das da auf meinem Teller zerlief wie roher Pfannkuchenteig, roch wie Diät-Hundefutter.
    »Ich liebe Chicken Pot Pie!«, rief Marianne immer freudig aus und nahm sich ein zweites Mal.
    Unser Speiseplan bestand aus Nudeln mit Tomatensauce und Fleischbällchen, Nudeln mit Käsesauce, gegrillten Käse-Schinken-Toasts, Chicken Pot Pie, Eiscreme, Bagles mit Cream Cheese, Doughnuts, labberigem Toastbrot, das man sich mit Erdnussbutter und Marmelade beschmieren konnte, Aufschnitt, und mittags gab es zusätzlich noch rohes Gemüse und Salat. Die Küche rotierte die Speisen wöchentlich, aber so genau weiß ich das nicht mehr, da ich auf der Schule einfach nur noch von Salat und Rohkost lebte.
    Vor dem Essen bildete sich vor dem Tisch, an dem die Krankenschwester der Schule saß, eine lange Schlange. Die Schüler stellten sich dort für irgendwas an. Als ich nachfragte, hieß es, hier würden die Medikamente ausgeteilt; die Hyperaktiven bekamen die Downers, für die Phlegmatiker gab es Uppers. Jetzt wusste ich auch, warum Judd Markowski manchmal über seinen Büchern pennte und meine Mathelehrerin in seiner kurzen Wachphase vorwurfsvoll fragte, ob er wieder vergessen habe, seine Medizin zu nehmen.

    Es wurde Ende November. Die Temperaturen sanken bis auf minus 20 Grad. Es war so kalt, dass meine Nasenflügel zusammenfroren, wenn ich einatmete. Es war eine Kälte, die ich noch nie zuvor erlebt hatte. Ich trug mittlerweile Wolle in fünf Schichten und wurde nicht warm. Nun hatte ich auch nicht mehr viel Fett auf den Knochen, sondern bestand hauptsächlich aus Muskeln und Müdigkeit. Zusätzlich entriss einem der Wind jeglichen Wärmeschild am Körper und ließ einen wie nackt im Eis stehen.
    Unsere letzten Hockeyspiele in kurzen Röcken und T-Shirts spielten wir im Schnee, danach begann der Winter.
    Im Winter hatten wir nur bis 14 Uhr Unterricht. Ich war im Snowboard-Team und fuhr nun jeden Nachmittag um 15 Uhr zu einem der vier Skigebiete in der Nähe. An manchen Wochenenden wurden Slalom- und Freestyle-Wettbewerbe gegen Schüler anderer Schulen ausgetragen.
    Das Anziehen zum Snowboarden allein dauerte dreißig Minuten, also blieb auch hier kaum Zeit zum Essen. Ich trug zwei lange Unterhosen und mindestens vier Schichten unter meiner Jacke, dazu Handschuhe, Mütze und Schal. Wir warfen unsere Boards auf das Dach eines blauen Vans und quetschten uns in die Bänke. Unser Fahrer und Coach kurbelte fünf Meter vor jedem Bahnübergang die angelaufene Fensterscheibe runter und horchte, ob ein Zug kam. Dann setzte er über und kurbelte die Scheibe wieder hoch. Je nach Skigebiet gab es mal mehr und mal weniger Bahnübergänge auf der Strecke.
    Die Autos hatten keine Fußheizung, und uns froren immer fast die Zehen ab während der Fahrt, man überlebte nur mit angezogenen Beinen. Doch die Autofahrt war nichts im Vergleich zum Sesselliftfahren. Auf einer frei schwebenden Bank gondelte man in mehreren Metern Höhe zum Gipfel. Ungeschützt war man dem Wind ausgesetzt, und selbst wenn ich eingeklemmt zwischen zwei anderen saß, zitterte ich am ganzen Körper. Nie hatte ich Angst gehabt zu erfrieren, hier betete ich, Er möge mich lebend oben ankommen lassen.
    Es muss an unserem ersten Tag auf der Piste gewesen sein; es hatte frisch geschneit, und ganz Vermont war verzuckert. Als ich auf dem Lift über meine Schulter zurückblickte, lagen hinter mir die endlosen hügeligen, schneebedeckten Wälder in der Wintersonne. In der Schweiz nahmen mir 4000 Meter hohe Berge die Sicht, all das Gestein türmte sich fast vor meiner Nase zum Himmel auf. Hier aber gab es kein Gestein, keinen Granit, mein Blick ging endlos weit über wogenartig verschneiten Wald. Dieses Bild bescherte mir ein, zwei Atemzüge Freiheit.
    Jesse brachte Haschisch mit, was er im Lift oder in der Gondel in einer kleinen Pfeife anbot. Was kann schon passieren, dachte ich. Die Kälte und das Gras raubten mir fast die Sinne. Wegen meines geschwächten Körpers schwand mir immer wieder mitten auf der eisigen Piste die Kraft zu bremsen. Danach rauchte ich nie wieder Hasch.
    Wir fuhren bis 18 Uhr, stiegen dann wieder in den

Weitere Kostenlose Bücher