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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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dem er stehen blieb, klang wie eine Liebeserklärung. Er hielt ihre Hand, dann fasste er sie bei den Schultern, um sie besser betrachten zu können. In ihrem Gesicht lag die Trauer, und sie ließ den Kopf leicht hängen wie eine schlappe, verblühte Rose. Abschied, Trennung. Er schaute in den Himmel, als suche er dort nach seinen Worten.

    Im Winter wurde es sehr still auf der Station.
    Eines Morgens war Charlotte verschwunden. Uns wurde bekanntgegeben, dass sie in die geschlossene Anstalt verlegt worden sei. Die geschlossene Anstalt befand sich in einem Hochhaus schräg gegenüber von Pünt Nord. Da nie einer die Anstalt ohne Begleitung verlassen durfte, war dieses Gebäude wie ein Totenhaus. Besuche waren verboten, Handys wurden den Patienten selbstverständlich abgenommen.
    Anna und ich gingen nun nicht mehr nach Wil. Manchmal saß ich bei ihr im Zimmer. Aber auch sie schloss sich immer öfter ein und verweigerte jegliche Gesellschaft.
    Nach vielen Tagen oder wenigen Wochen traf ich Charlotte zufällig im Kiosk auf dem Klinikgelände, wo ich damit befasst war, mit großer Überwindung einen Schokoriegel auszusuchen.
    Ich stand an der Kasse, als ich die Glocke an der Tür hörte. Da stand Charlotte – oder vielmehr ein Geist von ihr. Ihr Begleiter führte sie, als sei sie ein mit Drogen betäubter Hengst.
    Sie schien mich kaum wiederzuerkennen, starrte mich dann aber mit glasigen Augen an. Ihr Gesicht war kalkweiß, abgesehen von den blutroten Lippen, die Haare seit Tagen ungewaschen. Ihr therapeutischer Begleiter stand hinter ihrem Rücken und ließ seine Augen nicht von ihr. Ich starrte sie an, vielleicht sagte ich »Hallo«.
    Sie verzog ihren halb gelähmten Mund zu einem schrecklichen Lachen. Heiser flehte sie mich an, sie zu besuchen. Ich konnte ihren Blick nicht erwidern.
    »Ja. Vielleicht«, sagte ich ausweichend. Ich musterte den Aufpasser mit hasserfüllten Blicken. Ich brachte nichts über die Lippen.
    Benebelt wiederholte sie ihre Bitte. Ich trat einen Schritt zur Seite, da sie zum Tresen geschoben wurde. Sie kaufte fünf Tafeln Schokolade, zwölf Kinderriegel und mehrere Überraschungseier.
    Alles ging so schnell, ich konnte die Begegnung gar nicht richtig sortieren. Dieser verrückte Blick, diese besessene Stimme, ihre Gestalt.
    Sie kramte nach Geld. Die Kasse ratterte. Sie drehte sich zu mir um. »Ich will nicht dorthin zurück!«, sagte sie laut. »Ich hasse es da oben. Ich hasse die alle. Ich will nicht zurück. Ich komm auch bald wieder auf die Station. Weil ich es da oben hasse. Alles Arschlöcher.«
    Ich nickte.
    Der Begleitschutz legte ihr die Hand auf die Schulter und zwang sie zum Gehen. Sie wiederholte immer wieder, ich müsse sie besuchen, bis sie schließlich aus der Tür raus war und verschwand. Ich hatte nicht mal Zeit, mich zu verabschieden. Ein Kloß sprengte mir die Luftröhre, und ich wagte es kaum zu atmen. »Tschüss, Charlotte«, flüsterte ich ihr mit trockener Zunge hinterher.
    Da ging ein weiterer verlorener Freund.
    Ich wankte zurück zu Pünt Nord. Auf der Straße stand ein Mann mit hängender Unterlippe in einem graublauen Parka und starrte mich ausdruckslos an. Ich starrte zurück. Der Wind war eisig geworden, niemand sonst hielt sich draußen auf.
    Noch eine Stunde bis zum Mittagessen. Ich ging auf mein Zimmer und stellte mich vor den Ganzkörperspiegel. Aus riesigen Augen glotzte mich mein Spiegelbild an. Nichts passte, die Kleidung hing von meinen Schultern und Hüftknochen, von Geschlechtszugehörigkeit oder gar Weiblichkeit keine Spur. Meine Entwicklung stagnierte, statt sich fortzusetzen, da war keine Attraktivität und kein Sexappeal. Ich hätte im Angesicht meines Ebenbildes in Tränen ausbrechen können, doch ich war zu stolz.
    Ich setzte mich auf die Bettkante und versuchte das Bild von Charlotte zu verarbeiten. Vor einiger Zeit hatten wir noch gemeinsam Kekse gebacken. Sie nahm sich immerzu kleine Stücke von dem rohen Teig und steckte sie mit den Fingern in den Mund.
    »Charlotte, hör auf damit!«, sagte ich.
    Sie lachte und meinte, die drei, vier Löffel würden bei der Menge nicht auffallen.
    Nach fünf Minuten sagte ich wieder, sie solle das lassen oder verschwinden.
    »Ich glaub, jetzt muss ich kotzen«, sagte sie. Entgeistert sah ich sie an: »Das kann nicht dein Ernst sein!« Aber ich wusste, dass sie es sehr ernst meinte.
    Sie verschwand.
    Nach fünf Minuten kehrte sie zurück. Ohne zu zögern, griff sie mit den Fingern, die eben noch in ihrem Rachen

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