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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hansen
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hören kann. Immer noch nichts. Ich werde etwas fester klopfen. Und nach einer gefühlten Ewigkeit wird Kevin Tarte die Tür aufmachen, mich anstrahlen, und obwohl wir noch kein Wort miteinander gewechselt haben, wäre alles gesagt. Und alles klar.
    Ich biege um die Ecke, freue mich auf die geheime Stage Door und auf all das, was sich in den folgenden Stunden und Jahren entwickeln wird.
    Und sehe plötzlich vor allem eins: Frauen. In Massen.
    Ich hätte Marion ruhig mitnehmen können. Sie ist nicht das einzige Problem.
    Große Frauen, kleine Frauen, dicke Frauen, dünne Frauen, alte Frauen, junge Frauen, Rothaarige, Blonde, Brünette, Schwarzhaarige.
    Vor der Stage Door versammelt sich alles, was jemals als Frau auf die Welt gekommen ist. Genau in der Mitte sehe ich den Grund dieses Ansturms: Kevin Tarte, immer noch als Vampir geschminkt.
    Er nimmt strahlende Frauen in den Arm, damit andere strahlende Frauen davon Fotos machen können. Er unterschreibt auf selbstgemalten Bildern, er verteilt Autogrammkarten, er lächelt und bricht Herzen am Fließband.
    Da sieht er plötzlich mich.
    »Fotoshoot?«, ruft er mir zu.
    Oh Gott.
    Spricht er etwa wirklich nur Englisch?
    Pia und ich hatten im Vorfeld besprochen, ob ich deutsch oder englisch mit ihm sprechen sollte. Für Englisch sprach, dass es seine Muttersprache war und es laut Pia nichts Schlimmeres gab als Leute, die erwarten, dass jeder deutsch spricht. »Ich habe einmal in Costa Rica miterlebt, wie ein Pärchen aus dem Rheinland zu einem Taxifahrer sagte: ›So, dann fahren Se uns mal an einen schönen Strand.‹ Das geht wirklich nicht.« Für Deutsch allerdings sprach die simple, aber doch irgendwie wichtige Tatsache, dass ich der Sprache mächtig war.
    »Pia, ich muss deutsch sprechen. Ich kann doch so schlecht Englisch, das endet in einer Katastrophe«, sagte ich.
    Pia dachte zu dem Zeitpunkt noch, ich übertreibe. »Das bekommst du schon hin. Jeder kann Englisch«, sagte sie. »Komm, wir reden einfach mal englisch, und dann wird sich die internationale Experten-Kommission zusammensetzen und entscheiden, ob Englisch oder Deutsch die Sprache der Liebe ist. Los, sag mal was auf Englisch«, sagte Pia und lachte. Meine Erinnerung setzt an dieser Stelle wie bei einem einschneidenden Trauma plötzlich aus. Ich weiß nur noch, dass Pia nach zwei Minuten entschieden sagte: »Du sprichst deutsch.«
    Kevin Tarte lächelt mich immer noch an.
    Mir wird schlecht.
    Na ja, zumindest singt er auf Deutsch. Wenn alle Stricke reißen, unterhalten wir uns eben in Tanz-der-Vampire-Liedern.
     
    Er: »Es war alles gelogen, was man dir versprach. Doch ich geb dir, was dir fehlt.«
    Ich: »Manchmal in der Nacht bin ich so hilflos und wünsch mir, es käm einer, der mich führt und beschützt.«
    Er: »Ich schenk dir eine Reise auf den Flügeln der Nacht. In die wahre Wirklichkeit, in den Rausch der Dunkelheit.«
    Ich: »Manchmal in der Nacht kann ich es nicht mehr erwarten, ich will endlich eine Frau sein und frei.«
    Er: »Ein Mädchen, das so lächeln kann, hab ich nie geseh’n.«
    Ich: »Ich hab mich gesehnt danach, mein Herz zu verliern, jetzt verlier ich fast den Verstand.«
     
    Doch, funktioniert. Mit diesen Texten können wir die erste Zeit schon einmal überbrücken. Und wenn uns irgendwann die Lieder ausgehen, werden wir eben eine Zeit lang summen. Immer positiv denken. Das wird schon.
    »Fotoshoot?«, fragt er wieder.
    »Äh ja, gerne«, stottere ich. Aber ich habe ja gar keine Kamera dabei. Oh Gott. Doch. Die Einwegkamera von Pia. Aus Plastik. Die mit dem lustigen Aufkleber drauf. Wie peinlich.
    Ich hole sie aus meiner Tasche heraus und murmele: »Meine digitale Spiegelreflexkamera habe ich leider vergessen.« Keine Reaktion. Ich lache gequält. Eine dicke Frau bietet an, von mir und Kevin ein Foto zu machen. Er nimmt mich in den Arm und lächelt professionell in die Kamera. Ich versuche das auch.
    Klick. Das erste Foto fürs Familienalbum ist gemacht.
    »Wir haben gleich einen Interviewtermin«, flüstere ich Kevin Tarte leise zu. Anders als in der Schlange vor der Kasse will ich lieber kein Aufsehen erregen. Die anderen Frauen sollen besser keinen Wind davon bekommen. Neid könnte in dieser Situation zu einer totalen Eskalation führen. Mit mir als Opfer. Sie könnten ihre Kugelschreiber, mit denen Kevin Tarte ihnen gerade noch Autogramme gegeben hat, gnadenlos in meinen Körper rammen, nur um mich auszuschalten. Diese Frauen sind zu allem bereit. Das sehe ich.
    »Oh, du

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