Fraeulein Jensen und die Liebe
später sind sie zusammen und furchtbar verliebt. Doch dann hat Sebastian einen One-Night-Stand mit ihrer Mutter, die auch prompt schwanger wird. Lydia verlässt ihn daraufhin. Inzwischen ist die Mutter gestorben, das Kind (das sie kurz vor dem Ableben noch zur Welt gebracht hat) ist tatsächlich von Sebastian, doch Lydia kehrt zu ihm zurück, da sie um seine Liebe kämpfen will. (Auf die Entführung von Sebastian und Lydias Trauma durch ihren Ex-Freund, der sie stalkte, habe ich bewusst verzichtet. Wie gesagt, das würde definitiv den Rahmen sprengen.)
Genau dieser Sebastian von Lahnstein ist auf jeden Fall so, wie ich mir einen Mann wünsche. Und das will was heißen. Denn ich bin durchaus anspruchsvoll.
Auf der einen Seite will ich, dass ein Mann ein echter Kerl ist. Er soll Bier aus Flaschen trinken, er soll rauchen und dabei die Zigarette mit zwei Fingern halten. Wenn ich zu lange mit einer Freundin telefoniere, soll er mir irgendwann den Hörer aus der Hand reißen. »Hör mal zu, Hannah kann jetzt nicht weitertelefonieren, klar?« Dann legt er einfach auf, dreht sich zu mir um und sagt, während er mir langsam die Bluse aufknöpft: »Und jetzt kommen wir zu den wichtigen Dingen im Leben.«
Auf der anderen Seite will ich, dass ein Mann verständnisvoll, sensibel und einfühlsam ist. Er soll sich mit den Worten »Ruh dich mal aus, ich mach das« um den Abwasch kümmern, er soll mir ungefragt eine Wärmflasche machen, wenn ich Regelschmerzen habe, und ich muss ihn auch nachts um drei noch wecken dürfen, um mit ihm über meinen verkorksten Haarschnitt nach einem Friseurbesuch zu sprechen. »Ich bin so unglücklich«, würde ich schluchzen. »Ist es jetzt sehr schlimm, dass ich dich deswegen wecke?« »Ach was«, wird er sagen und mir zart über den Kopf streichen. »Du weißt doch, dass ich immer für dich da bin.« Dann wird er mir schlaftrunken einen Spiegel aus dem Badezimmer holen, und während wir ausgiebig meine Haare von allen Seiten begutachten, wird er mir sagen, dass ich sowieso die Schönste auf dieser Erde bin. Erleichtert schlafe ich ein, während er mich zudeckt.
Kurz: Ich suche einen sensiblen Macho. Wahrscheinlich ist es leichter, einen schwarzen Schimmel zu finden.
Ich glaube, dass Sebastian Graf von Lahnstein das Unmögliche möglich machen kann. Er ist kein Weichei und doch sensibel, er sagt Sachen wie »Lydia, du weißt, wir können über alles reden«, um sie in der nächsten Szene unsanft am Arm zu packen und – ohne Widerworte zu dulden – ins Schlafzimmer zu zerren. Hinzu kommen ein unheimlich männlicher Dreitagebart und wunderschöne Klamotten. Er trägt nämlich immer einen Schal: einen dicken Wollschal, grob gestrickt, den er sich lässig um den Hals gewickelt hat. (Wirkt sexy, geheimnisvoll und begehrenswert!)
Genau das ist es, was ich will. Moment mal. Habe ich gerade »Genau das ist es, was ich will« gedacht? Dass ich nicht vorher draufgekommen bin. Ich muss Sebastian Graf von Lahnstein kennenlernen! Er sieht gut aus, er ist sympathisch und er kann sich in Frauen einfühlen. Sicher schauspielert er nicht nur, sondern ist in Wirklichkeit auch so! Das würde ich merken, schließlich sehe ich das jeden Tag seit dreizehn Jahren. (Bei manchen Schauspielern erkennt man nämlich sofort, dass sie nur eine Rolle verkörpern!)
Mein Gott. Sebastian Graf von Lahnstein ist es. Manchmal sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Er ist der dritte Traummann!
Also Sebastian Graf von Lahnstein, ich komme! Moment, wie heißt er eigentlich in Wirklichkeit?
Manchmal habe ich wirklich mehr Glück als Verstand. Sebastian Graf von Lahnstein heißt Joscha Kiefer. Joscha Kiefer. Ich finde, einen schöneren Namen gibt es nicht. Jaja, ich weiß, dass man sich seinen Namen nicht aussuchen kann. Keine Chayenne Petersen, keine Jacqueline Meier und auch kein Justin Schmidt haben jemals gesagt: »Dieser Name ist noch frei? Jajaja, schnell her damit, ich nehme ihn.« Ich weiß, dass unzurechnungsfähige, hormongesteuerte Eltern für das ewige Namensschicksal ihrer Sprösslinge zuständig sind. Dass sie ihre Kinder im Liebeswahn nach ihren Lieblingssängern (Heino Petersen aus meiner Parallelklasse) oder dem Zeugungsort benennen (Madeira Schröder, Nichte von Pia. Pia weigert sich, diesen Namen in der Öffentlichkeit auszusprechen, und ruft auf dem Spielplatz immer neutral mit »Kind« nach ihr).
Kurz: Ich weiß, der Einzelne kann nichts für die manchmal absurde Aneinanderreihung von
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