Fraeulein Jensen und die Liebe
»Wollen Sie nun Ihren Termin übermorgen einigermaßen vorzeigbar wahrnehmen oder nicht?«
Absolvieren diese Douglas-Verkäuferinnen eigentlich psychologische Schulungen, in denen sie lernen, wie sie bei jedem Kunden gezielt den wunden Punkt finden und ihn nach Strich und Faden erpressen können?
Ich verhülle mich wieder und folge Frau Schreiner willenlos zur Kasse. Sie notiert noch auf einen kleinen Zettel, was ich wann wo wie aufschmieren soll, und sagt dann süffisant: »Ich lege Ihnen noch eine Probe bei, eine wunderbare Gesichtscreme von Chanel.« Was sie nicht sagt: Die »wunderbare Gesichtscreme« von Chanel beinhaltet lediglich zwei Milliliter, die sicher noch nicht einmal für ein Ohrläppchen reichen werden.
Ich gebe resigniert meine Geheimnummer für die EC-Zahlung ein und verlasse mit einem kleinen Tütchen, das meine Heilung, zwei Milliliter Gesichtscreme von Chanel und meinen finanziellen Ruin beinhaltet, den Laden. Eigentlich wollte ich, wenn ich jemals von einem Schuldenberater gefragt werde, wo das ganze Geld geblieben ist, ehrenhaft antworten: »Nun, ich habe vier Patenschaften für Kinder in Afrika und bezahle die Miete für das Pflegeheim meiner Oma.« Jetzt müsste ich wahrheitsgemäß sagen: »In After-Sun-Produkten.« Wie demütigend.
Den nächsten Tag verbringe ich im Hotelzimmer mit zugezogenen Gardinen. Ich sehe erst die Wiederholung von Richterin Barbara Salesch, dann Oliver Geißen (Thema: Mein Kind ist schwanger und nimmt Heroin), danach »Cosmo und Wanda – wenn Elfen helfen« auf RTL II und um achtzehn Uhr, natürlich als Vorbereitung für das Gespräch: »Verbotene Liebe«. Zwischen diesen kulturellen Highlights klingelt jede halbe Stunde mein Wecker und erinnert mich daran, dass ich mich neu eincremen muss. Was für ein Tag. Es ist zum Heulen. Da treffe ich einmal im Leben Joscha Kiefer und sehe aus wie ein englischer Tourist, über den ganz Mallorca lacht. Ich sah uns unseren ersten Hochzeitstag schon in der Karibik verbringen. In meinem Zustand bekomme ich noch nicht einmal eine zweite Verabredung mit ihm.
Am nächsten Morgen: erneuter Spiegelcheck. Ich habe den gesamten gestrigen Tag vermieden, in den Spiegel zu sehen, und fühl mich nun wie in einer Sendung, in der hässliche Frauen vier Wochen geschminkt, umoperiert und neu angezogen werden und danach eine komische Moderatorin den Vorhang vom Spiegel zieht. »So, Marlies, das bist du in neu.« Marlies bricht in Tränen aus und fällt ihrem Mann Rüdiger in die Arme. Der stottert: »Ist ja echt gut geworden.«
Also, Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist die Schönste ... nein, vielleicht unpassend. Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer hat keine roten Flecken mehr im ganzen Land? Ich öffne die Augen und beschließe, Frau Schreiner einen Fleurop-Strauß als Dankeschön zu schicken. Sie und ihre sündhaft teuren Cremes haben ganze Arbeit geleistet. Ich bin zwar immer noch rötlich, aber zumindest haben die Flecken eine Ebenmäßigkeit angenommen, dass man denken könnte, es gehöre zu meinem Teint.
Und: Im dunklen, schummrigen Licht des Badezimmers sehe ich fast schon ein wenig braun aus. Zu gerne würde ich Joscha Kiefer ja in einer Toilette treffen. Wahrscheinlich würde es ihn ein wenig irritieren, wenn ich ihm diese Location fürs Daten vorschlage. Aber eigentlich spricht doch nichts dagegen, dass ich irgendwann die Toilette aufsuche und ihn dann unter einem Vorwand hinterherlocke.
»Joscha«, könnte ich rufen. »Ich komm mit dem Wasserhahn nicht zurecht, könntest du mir kurz zeigen, wie er funktioniert?«
Bevor er dann denken kann »Sie kommt mit dem Wasserhahn nicht zurecht? Wie dämlich kann man eigentlich sein«, wird er mich in der Toilette sehen und nur noch eins denken: »Wow, die ist ja wirklich braun. Sieht verdammt gut aus.«
Ich freue mich gerade über mein ebenmäßig fleckiges Gesicht, da klingelt mein Handy.
SMS. Von Joscha. Wir können uns bei ihm zu Hause treffen!
Mein Gott, die Männer gehen aber auch ran heutzutage. Na ja, als Kevin Tarte mich in seine Garderobe lockte, konnte ich auch nicht ahnen, dass es nichts zu bedeuten hatte.
Also: Es hat gar nichts zu sagen, dass wir uns in seiner Wohnung treffen. Es ist völlige Routine für ihn. Es ist ganz normal. Wahrscheinlich hat er sogar eine Presselounge bei sich in der Wohnung, in der er regelmäßig öffentliche Pressekonferenzen abhält. Im Innern weiß ich natürlich, dass das Blödsinn ist. Es hat sehr wohl etwas zu bedeuten,
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