Fraeulein Jensen und die Liebe
du doch super vorbereitet«, sagte sie.
»Und wie hoch stehen die Chancen, dass Bernhard Hoëcker zu mir sagt: ›Sie haben zugenommen‹?«
»Mein Gott, Hannah, die zeigen doch nur, wie das Prinzip Schlagfertigkeit funktioniert. Du musst dann eben ein wenig improvisieren.« Sie lachte mir aufmunternd zu, und ich sah ihrem Blick an, dass sie selbst nicht an den Erfolg dieser Mission glaubte.
Ich muss also in die Offensive gehen.
»Was bedeutet Schlagfertigkeit für Sie?«, frage ich.
»Ist doch klar: ein Feuerwerk der Ideen«, sagt Bernhard Hoëcker und lacht laut. Das war wohl die Aufforderung, dass ich etwas Schlagfertiges antworten soll.
Oh Gott, bei mir zündet gerade gar nichts. Ich hätte ihn irgendwie dazu bringen müssen, dass er sagt: »Sie blöken wie ein Hammel.« Dann hätte ich die passende Antwort parat gehabt.
Aber so???
»Ich habe eine Fehlzündung«, sage ich leise.
Bernhard Hoëcker lacht höflich. Er ist ja so nett. Er lacht über Dinge, die offensichtlich nicht lustig sind. Ich mag ihn.
»Das Wichtigste«, sagt er und ich hänge an seinen Lippen, »ist, dass man immer aufmerksam und offen ist. Ich bin mental zu jeder Zeit in Bewegung. Es gibt bei mir eigentlich keinen Moment, in dem ich über nichts nachdenke.«
Diesen Satz würde ich auch gerne einmal sagen. Es gibt bei mir durchaus viele Momente, in denen ich an nichts denke. Wenn man es genau nimmt, kann ich stundenlang in meiner Jogginghose auf dem Sofa liegen, und der komplexeste Gedankenstrang besteht darin, ob ich die gekauften Schuhe in 38 vielleicht doch lieber in 39 um tauschen sollte, da die Füße im Sommer ja bekanntlich ein wenig anschwellen und ich sie im Winter ja mit einer Schaumstoffeinlage tragen kann. Jajajaja, schon gut. Das klingt erst einmal furchtbar oberflächlich. Aber für mich ist das Sofa nun einmal die Quelle für Kraft und inneren Frieden. Andere ziehen ihre Entspannung aus der Meditation, ich eben aus dem Sofa. Für mich wäre es im Übrigen ein Horror-Job, Bundeskanzlerin zu sein. Ich habe mal gelesen, dass Angela Merkel 280 Termine im Jahr hat. 280 Termine!!! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ob sie sich im Kanzleramt wohl auch mal ihre Jogginghose bringen lässt? Ich würde auf jeden Fall einen Jogginghosenreferenten benötigen, wenn ich Kanzlerin wäre.
Aber Gott, warum sollte ich Kanzlerin werden? Diese Frage stellt sich nicht. Dafür eine andere:
»Womit kann sich denn eine Frau bei Ihnen so richtig disqualifizieren?« Es geht in die alles entscheidende dritte Runde. Was ist Bernhard Hoëcker wichtig an einer Frau? Und: Welchen Humor sollte sie haben? In den kommenden Minuten kann ich sicher glänzen.
Ich rechne fest damit, dass Bernhard Hoëcker auf meine Frage antworten wird: »Wenn sie keinen Humor hat, damit könnte ich nicht umgehen.« Worauf ich erwidern würde: »Das sehe ich genauso. Der Humor ist die Basis für alles Weitere.« Er: »Sie scheinen mir aber doch ganz pfiffig zu sein.« Gelächter. Er weiter: »Sie werden sicher kein Problem damit haben, einen Mann an Land zu ziehen.« Gelächter. Er weiter: »Wenn ich nicht schon vergeben wäre ...« Gelächter.
Leider höre ich plötzlich andere Worte aus Hoëckers Mund.
»Ich finde Klischeefrauen furchtbar. So nach dem Motto: Ich interessiere mich für Schuhe, Schminken und Einkaufen.«
»Wie bitte?«
Ich war so darauf konzentriert, mich auf den Satz »Sie sind wirklich eine der witzigsten Frauen, die mir je begegnet sind« zu freuen, dass ich inständig hoffe, dass ich mich gerade verhört habe.
»Was haben Sie zum Thema Einkaufen gesagt?«
»Wer als Hobby Einkaufen angibt, lebt ohne Gehirn«, sagt Hoëcker. Und lacht nicht. Das meint der ernst.
Ich muss jetzt für ein Volk sprechen. Na ja, für ein halbes.
»Aber Einkaufen kann doch auch unwahrscheinlich kompliziert sein. Man muss abwägen, in welchen Laden man zuerst geht. Man muss das beste Preis-Leistungs-Verhältnis recherchieren. Man muss ...«
Ich verstumme plötzlich. Will ich gerade Bernhard Hoëcker davon überzeugen, dass ich ein Gehirn habe?
»Sie kaufen gerne ein, oder?« Herr Hoëcker lacht. Ach, diesem Menschen kann man nicht böse sein.
Ich druckse ein wenig herum. »Nun ja. Äh. Ab und zu.«
»Für mich muss Kleidung vor allem funktional sein«, sagt Hoëcker. »Aber ich sehe schon: Wir leben in zwei verschiedenen Kleiderwelten.« Er lacht.
In der alles entscheidenden Klamottenfrage hatte ich mich für Schwarz entschieden. Ich trage einen
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