Fraeulein Jensen und die Liebe
schwarzen Rock, eine schwarze, glänzende Bluse und schwarze (flache!) Schuhe. Ich dachte, dass man mit Schwarz nichts falsch machen kann. Man kann sehr viel falsch machen. Neben Herrn Hoëcker (Outdoor-Hose mit Taschen an den Seiten, sportliches T-Shirt und Schuhe, mit denen man auch spontan die Alpen überqueren könnte) sehe ich aus wie eine Konfirmationsschülerin im Abschlussgottesdienst.
Ich lache gequält. Vielleicht sollte ich schnell sagen, dass ich meistens auch ganz anders gekleidet bin? Viel lockerer? Und dass ich mir auch eher Gedanken über einen guten Witz anstatt gute Kleidung mache? Nein, unglaubwürdig. Und wie ich Bernhard Hoëcker kenne, würde er auch darauf etwas furchtbar Witziges und Spontanes antworten.
Nur ein radikaler Themenwechsel kann mich jetzt noch retten.
Als mich mein Tanzpartner Hinnerk Schmidt mit 14 nach der Tanzstunde nach Hause brachte und mir unter dem Schlafzimmerfenster meiner Eltern seine Liebe gestand, war ich dermaßen überfordert, dass ich sagte: »Meine Cousine hat die Führerscheinprüfung bestanden.«
Ich weiß nicht mehr, was Hinnerk Schmidt antwortete. Auf jeden Fall stieg er kurz darauf auf sein Fahrrad und die Sache war erledigt.
Radikale Themenwechsel haben mir also schon immer geholfen.
In diesem Sinne:
»Warum, glauben Sie, gibt es so wenig weibliche Comedians in Deutschland?« Eigentlich waren Pia und ich uns sicher, dass Herr Hoëcker mir an dieser Stelle sagen würde: »Das ist in der Tat ein Problem. Aber ich muss sagen, dass ich Sie ausgesprochen geistreich und lustig finde. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich dem Programmmanager der SAT1-Comedysparte mal Ihre Nummer gebe?«
Da ich aber bis zu diesem Zeitpunkt eher eine Konfirmationsschülerin mit Fehlzündung war, wage ich es nicht, zu hoffen, dass dieser Satz überhaupt noch in diesem Leben fällt. Geschweige denn in diesem Gespräch.
»Die meisten Frauen haben ein Problem damit, hässlich zu sein«, sagt Hoëcker. »Und das muss man, wenn man Comedy machen und in andere Rollen schlüpfen will.«
Wenn er jetzt sagen würde: »Aber ich seh schon, das macht Ihnen anscheinend nichts aus, das ist schon mal eine gute Voraussetzung«, wäre ich ernsthaft beleidigt.
Wieder schneller Themenwechsel also. Himmel, auf dieses Themen-Hopping war ich nicht eingestellt. Ich muss improvisieren.
»Mit welchem Witz könnte eine Frau Sie überraschen?«, frage ich. Kommen wir zum Service-Teil dieses Gesprächs, schließlich will ich ja für die lustigen Männer dieser Welt gewappnet sein.
»Eindeutig: mit Nicht-Klischee-Witzen.«
»Das heißt?«
»Indem sie zum Beispiel Männerwitze erzählt. Auf Youporn zum Beispiel gibt es total interessante Dinge«, sagt Hoëcker und lacht. »Kennen Sie Youporn?«
»Klar«, sage ich möglichst lässig. (In Wahrheit habe ich nur einmal davon gehört, dass es diese Schmuddel-Seite mit Porno-Videoclips im Internet gibt.)
»Was ich erzählen wollte: Da gibt es ein Video, da sitzen viele Männer an einem runden Tisch, und unter dem Tisch hockt eine Frau, die einem der Männer einen bläst. Und diese müssen dann raten, wem.« Herr Hoëcker lacht so laut, dass sein Hund auf meinen Füßen kurz aufschreckt.
Mir wird schlecht. Doch ich wachse über mich selbst hinaus.
»Ja, genau. Youporn ist dann eine soziologische Betrachtungsweise der kulturellen Humor-Entwicklung«, sage ich und ziehe ironisch die Augenbrauen hoch. Das erste Mal an diesem Nachmittag komme ich mir eigentlich ganz witzig vor. Ich habe ironisch, spontan und einigermaßen intelligent auf eine Aussage von Herrn Hoëcker reagiert. Hah, geht doch. Ich muss nur in Fahrt kommen. Dann ist meine Schlagfertigkeit ein reiner Selbstläufer.
»Genau das war jetzt typisch Frau.«
»Wie bitte?«
»Na, wie Sie gerade reagiert haben.«
»Warum?«
»Indem Frauen so etwas ins Lächerliche ziehen, wollen sie ihre Verklemmtheit überspielen. Außerdem wollen sie bloß nicht in Verdacht geraten, dass sie das auch interessant finden könnten.«
Gott bewahre. Da habe ich, wie ich finde, den einzig lichten Moment an diesem Nachmittag und dann das: Frau Jensen, Sie sind raus.
Zum Glück kommt in dem Moment eine Frau herein, die Herrn Hoëcker daran erinnert, dass er sich für die Show vorbereiten muss. Sie hätte auch sagen können: »Darf ich vorstellen, Herr Hoëcker: Hier ist die Frau, die zu 100 Prozent ihrem Anti-Typ entspricht. Und, jetzt halten Sie sich fest: Sie sitzt genau vor Ihnen.«
Ich verabschiede mich
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