Fraeulein Jensen und die Liebe
Bauches lag auf dem Laufband und kostete nur 2 Euro 58. Ich fühlte mich gut. Verdammt gut.
Aber jetzt, wo ich diese vier Zutaten (also das Essen bis an den Rest meines Lebens) ganz konkret vor mir in der Küche sehe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich dieses neue Ernährungskonzept wirklich durchziehen kann. Ich stelle mir vor, wie Cameron Diaz sich am Abend vor der Oscarverleihung einen Apfel in einen Wackelpudding schnippelt. Ich weiß nicht. Da verdient man Millionen und dann so was.
Ich wasche den Kopfsalat, schneide die Gurke und den Apfel in Scheiben und garniere alles um den Wackelpudding herum. Was tut man nicht alles für sein Aussehen? Hannah Jensen – die Geisel ihres Körpers. Klingt irgendwie nach einem dreckigen Sadomaso-Streifen. In diesem Sinne: Guten Appetit.
Zu meinem sternewürdigen Menü mache ich mir einen Yogi-Tee. Nein, den habe ich mir nicht bewusst gekauft. Auf diese Tatsache lege ich großen Wert. Ich habe ihn von meiner Nachbarin Caro geschenkt bekommen, nachdem ich eine Woche lang für sie die Blumen gegossen hatte. Caro hat vor einem halben Jahr ihr solides BWL-Studium kurz vor dem Ende abgebrochen und macht jetzt eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin. Seitdem summt sie immer im Treppenhaus und ist so zufrieden und glücklich, dass ich mich schlagartig vollkommen depressiv fühle, wenn ich sie auch nur sehe.
Einmal sagte sie zu mir, als wir uns vor den Briefkästen trafen: »Liebe Hannah, du wirkst so verspannt. Ich spüre irgendwie negative Schwingungen. Ist was nicht in Ordnung?«
Eigentlich war alles in Ordnung, aber sie schaute mich dermaßen mitleidig an, dass ich einen Tag später zusammen mit Caro in einer Kundalini-Yoga-Stunde saß. Das ist kein körperliches Yoga, sondern ein geistiges. Caro meinte, das sei genau das Richtige für mich. »Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren und müssen schnell handeln«, hatte sie mir noch vor den Briefkästen gesagt. »Morgen um drei, du wirst begeistert sein.«
Einen Tag später lag ich zwischen ihr und einer gewissen Ramona auf einer harten Matte und versuchte durch mein drittes Auge zu sehen. Ich hatte keine Ahnung, wo und was dieses dritte Auge ist, aber als unsere Trainerin Mashmahat Salam (mit gebürtigem Namen heißt sie Nadine Müller) uns sagte, dass wir jetzt durch das dritte Auge sehen sollten, sagte sie das so bestimmt, dass ich mich nicht getraut habe nachzufragen. Caro und die anderen nickten alle nur wissend und schlossen die Augen. Na ja, vielleicht finde ich es ja auch gleich, dachte ich tapfer und machte es ihnen nach. Doch irgendwie konnte ich mich nicht konzentrieren. Während alle um mich herum in einer Tiefenentspannung versanken (Caro stöhnte ab und zu laut), dachte ich vor allem an die wunderschönen roséfarbenen Pumps, die ich mir in einem sündhaft teuren Schuhläden hatte zurücklegen lassen. Die hol ich mir nachher, ging es mir durch den Kopf, als Mashmahat Salam uns aufforderte, dass wir uns nun mit dem Universum verbinden und die goldene Aura des Seins durch uns fließen lassen sollten. Ob es die Schuhe vielleicht auch in Schwarz gab? Das ist ja eigentlich klassischer. Vielleicht können sie die in einer anderen Filiale bestellen. Oder ich suche im Internet danach.
Ich konnte es gar nicht abwarten, aus dieser Yoga-Stunde zu kommen. Es gab schließlich wirklich wichtigere Dinge im Leben. Ich war mir sicher, dass ich nur in einer Tiefenentspannung versinken würde, wenn ich endlich die Einkaufstüte in den Händen halten würde.
Mashmahat Salam läutete endlich den zweiten Teil der Stunde ein, es ging sozusagen in den Entspannungsendspurt. Ich öffnete verbotenerweise die Augen und blinzelte in die Runde. Caro, Ramona und all die anderen waren vollkommen weggetreten. Na ja, diesen Trancezustand erreiche ich ja nachher am Jungfernstieg, dachte ich fröhlich. Nur noch eine Übung, dann geht’s im Laufschritt zur nächsten U-Bahn.
»Wir kommen nun zur Reinigung«, sagte Mashmahat Salam. »Lasst alles los, macht eure Seele und euren Körper frei für die Reinheit der göttlichen Natur. Es wird etwas aufbrechen, was ihr nicht verarbeitet habt. Innere Konflikte, Traumata, Krankheiten – habt keine Angst vor dem, was nun kommt. Lasst es einfach zu, was jetzt mit euch geschehen wird.« Sie drückte auf einen kleinen Kassettenrecorder und eine männliche Stimme schepperte heraus und gab eigentlich nur zwei Töne von sich. Und das sollte die Reinigung sein?
Nach etwa fünf Minuten fing Ramona neben mir leise
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