Fraeulein Jensen und die Liebe
Ledersitze), mein 29 Jahre alter Ford Fiesta in abgeschrammeltem Rot und ein extrem schnittiger BMW Z-3 in Metallicblau, Zweisitzer. Ich blieb genau in der Mitte des Parkplatzes stehen. Sodass man mich nicht zuordnen konnte. Weder zum Versager-Fiesta links noch zum Ich-habe-es-geschafft-im-Leben-BMW rechts. Thorsten Havener verstaute die Koffer im Taxi und sah mich erwartungsvoll an. Ich ging einen mutigen Schritt auf den BMW zu und wühlte dann plötzlich wie wild in meiner Handtasche.
»Der Schlüssel!«, rief ich. »Fahren Sie schon vor, es dauert sicher noch einen Moment, bis ich ihn gefunden habe.«
Thorsten Havener runzelte die Stirn und sah etwas ungläubig auf meine Handtasche, die so klein war, dass objektiv gesehen nur ein Portemonnaie, auch nur ein winziges, und eben ein Autoschlüssel darin Platz fanden. Ich ließ mich von seinem Blick und der Größe meiner Handtasche nicht beirren und wühlte tapfer in den nicht vorhandenen Untiefen weiter.
Er musste mich für komplett unzurechnungsfähig halten. Trotzdem setzte er sich brav ins Taxi und verließ mit einem Tempo, das mein Ford Fiesta noch nicht einmal auf der Autobahn schafft, den Hotelparkplatz.
Okay, die Zeit arbeitete gegen mich. Thorsten Havener würde in dem Tempo etwa in einer viertel Stunde am Flughafen sein. Meinen Fiesta schätzte ich so ein, dass er es in einer halben Stunde schaffen konnte. Vorausgesetzt: Er hatte einen guten Tag.
Ich rannte zu meinem Auto und schrie: »Fiesta, gib alles!«, während ich startete.
An der nächsten roten Ampel rief ich schweißgebadet Pia an. Tut. Tut. Tut. Tut. Nichts passierte. Sie ging nicht ran. Das durfte nicht wahr sein. Da braucht man sie am nötigsten, und sie lässt das Handy einfach so vor sich hin klingeln, als wenn dieses Kommunikationsmittel nur zum Klingeln erfunden worden wäre und nicht zum Telefonieren. Ich schrieb eine SMS, während ich den Fiesta in einem gefühlten Wahnsinnstempo durch Hamburg lenkte. »pia, ich folge ihm. melde dich schnell. brauche zaubertrick.«
Pia meldete sich natürlich nicht (sie saß in einem Meeting, gestand sie mir am nächsten Tag) und ich riskierte auf der Fahrt zum Flughafen mein Leben. Fuhr über rote Ampeln, drängelte sogar bei Neuwagen, hupte einen beschleunigungsschwachen Benz aus der Fahrbahn und wechselte die Spuren wie eine Wahnsinnige. Ich war mir sicher, dass sie »die unzurechnungsfähige Fahrerin eines roten Ford Fiesta« gleich im Radio bei den Verkehrsnachrichten durchgeben würden.
Es half alles nichts. Trotz meines wahr gewordenen Himmelfahrtskommandos kam ich zwanzig Minuten nach Thorsten Havener am Flughafen an. Ich hielt mit quietschenden Reifen vor Abflugterminal 2. Da stand er schon und wartete seelenruhig und immer noch wie aus dem Ei gepellt.
»Man könnte denken, Sie fahren einen Porsche, wenn man Ihr Auto nicht sieht, sondern nur hört«, sagte er lachend.
Er mochte sogar mein Auto! Das war eindeutig ein Zeichen.
Schweißgebadet stand ich vor ihm. Meine Haare waren zerzaust und ich wischte mir eine Strähne aus dem Gesicht. Wie Gott sie schuf, sozusagen. Er lächelte noch immer. Wieder ein Zeichen. Er akzeptierte mich auch schwitzend!
»Leider geht mein Flieger jetzt gleich«, sagte Thorsten Havener plötzlich. »Vielen Dank dann für das angenehme Interview. Schade, dass wir nun doch keine Zeit mehr hatten, uns weiterzuunterhalten.«
Aaaaaah, er wollte gehen. Nein. Das durfte er nicht. Das ging nicht.
Schnell noch eine letzte Frage. Eine Frage zur Liebe, zum Leben mit der Liebe, zum Leben mit der vollkommenen Liebe.
»Können Sie auch die PIN-Nummer für meine EC-Karte aus meinen Augen ablesen?«, hörte ich mich fragen. Ich konnte es nicht fassen: Was hatte ich nur gesagt?
»Das ist eine der leichtesten Übungen«, sagte er und lachte.
Oh Gott. Ich hatte wirklich nach meiner PIN-Nummer gefragt. Hätte ich ihn nicht fragen können, in welchem Jahr die Länder der Dritten Welt schuldenfrei werden?
Ich lächelte gequält und wir gaben uns die Hand.
»Finden Sie eigentlich, dass ich Ihnen hinterherstalke?« Ich fand, nach meiner PIN-Frage konnte ich jetzt endlich mit offenen Karten spielen und herausfinden, wie er wirklich zu mir stand.
»Nein«, sagte er und lachte (immerhin). »Aber wenn Sie in München auch aus dem Flieger steigen, habe ich Angst.«
8. Patrick Winczewski, Hugh Grant und ich
Ist ja gut. Ich habe es kapiert. Heute ist nicht mein Tag. Hiermit gebe ich, Hannah Jensen, das Konzept des positiven
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