Fraeulein Jensen und die Liebe
Wendeltreppe mit Tränen in den Augen darauf, dass ihre Frauen (ebenfalls mit Tränen in den Augen) die Stufen herunterschritten. Ich starrte die Wendeltreppe hinauf. Moment. Irgendwie waren die Rollen aber falsch verteilt, fiel mir auf. Oder würde Thorsten Havener gleich in einem Brautkleid erscheinen?
Nein, er kam in einem perfekt sitzenden schwarzen Hemd (das schlug sogar Joachim Löws Oberteil um Längen!) und strahlte mich schon von oben an.
»Ach, Sie sind das. Haben Sie nicht letztens in meiner Show an einen Elvis gedacht?«, fragte er lachend, als er mir die Hand gab. Fester Händedruck. Aha. Haarscharfe Analyse: Er war also offen!!
Ich wollte ihm gerade erklären, dass Elvis lediglich mein Hund und ich gerade nicht vergeben sei und dass ich ihn ja durchaus attraktiv finde, da schob er mich schon Richtung Frühstücksraum. »Ich brauche jetzt einen Kaffee.«
Ich nickte. Obwohl mein Herz schon hörbar laut klopfte.
Wir setzten uns an einen Tisch in der Ecke. Aha. Er wollte also ungestört sein. War mir nur recht. David und Claudia haben sich sicher auch immer auf diese Art vor Paparazzis geschützt. Und wir wandelten ja gewissermaßen auf ihren Pfaden!
»Seit wann können Sie denn Gedanken lesen?«, fragte ich, lächelte und legte leicht den Kopf zur Seite. (Eine abgespeckte Version der Körpersignale konnte schließlich nicht schaden, dachte ich.)
»Nun, der Begriff ›Gedankenleser‹ trifft es nicht richtig. Ich habe einfach eine gute Intuition.«
»Und wie funktioniert diese Intuition?«
»Das weiß ich auch nicht. Es ist eben wie in der Liebe: Man weiß nicht, was mit einem vorgeht, und trotzdem lässt man sich drauf ein.«
Welch ein Auftakt! Besser hätte das Gespräch ja nun wirklich nicht beginnen können. Er hatte VON SICH AUS das Thema Liebe angesprochen! Ob das ein Wink war, dass ich weiter drauf eingehen sollte? Für einen Moment überlegte ich, bedeutungsschwer »Ach, die Liebe ... « zu seufzen und dann darauf zu hoffen, dass er fragt: »Sind Sie etwa nicht glücklich momentan?« Doch ich entschied mich dafür, erst einmal auf einer sachlichen Ebene weiterzufragen. Sicher wird er bald wieder von sich aus drauf zu sprechen kommen. Und natürlich bin ich eine Frau, die erobert werden will.
»Können Sie Ihre Intuition auch im Alltag nutzen?«, fragte ich und fand, dass das eigentlich eine sehr gute Vorlage für ihn war, Folgendes zu antworten:
»Absolut. Ich spüre zum Beispiel gerade, dass Sie in der Liebe in der letzten Zeit nicht allzu viel Glück hatten.« Und dann hätte er noch hervorragend »Aber vielleicht ändert sich das ja genau jetzt« hinzufügen können.
Aber nein, zu viel geträumt. Das Gespräch begann, aus dem Ruder zu laufen.
»Absolut.« (Immerhin der Anfang stimmte!) »Wenn ich mit meiner Frau ins Kino gehe, besorge ich immer die Karten. Denn ich kann genau erspüren, welchen Film sie sehen will.«
Seine Frau!!! Ich musste schlucken.
»Das ist ja interessant«, antwortete ich möglichst gefasst und vergaß dabei die Tatsache, dass ich ja ein offenes Buch für Thorsten Havener war. Sicher konnte er in dem Moment exakt meine wahren Gedanken lesen. »Der ist verheiratet? Das darf doch nicht wahr sein. Aber war ja klar, dass der vergeben ist. Typisch. Alle tollen Männer sind unter der Haube. Ich bin ja so naiv. Mist. Und nun?«
Thorsten Havener ließ sich allerdings nichts anmerken und setzte noch einen obendrauf: »Im Restaurant weiß ich auch immer, wenn meine Frau lieber an einem anderen Tisch sitzen möchte. Dann setzen wir uns einfach um, ohne miteinander zu sprechen. Das ist schon sehr praktisch, wenn man ohne Worte kommunizieren kann.«
Ich kann mit den meisten Männern noch nicht einmal mit Worten kommunizieren, dachte ich. Sagte aber nichts. Er wusste es ja sicher ohnehin, was ich dachte.
»Wo haben Sie Ihre Frau denn kennengelernt?«, fragte ich. Man muss den Feind schließlich kennen, um ihn zu besiegen. Als Jens mir damals erzählte, er hätte seine Ex-Freundin Manuela in der Schlachterei Schmidt in Pinneberg kennengelernt, wusste ich: Diese Rivalin ist zu schlagen.
»Auf einem Zauberkongress«, sagte Thorsten Havener. »Sie zaubert auch. Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Das hatte schon etwas Magisches an sich.«
Auf einem Zauberkongress! Das verschlug mir nun wirklich die Sprache. Ich wollte am liebsten fragen: »Und lassen Sie mich raten, sie dressiert nebenbei auch noch Elefanten?« Warum können Männer ihre Frauen nicht im
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