Fraeulein Jensen und die Liebe
Denkens offiziell auf und stelle fest: In den letzten Stunden ist so ziemlich alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte.
Ich wachte auf und wie ein Gewehr feuerte mein Kopf Gedankensalven in meinen Körper.
1. Du hast einen Mann getroffen, der Gedanken lesen kann.
2. Du wirst nie mit diesem Mann zusammenkommen.
3. Wenn du an einen geliebten Menschen denken sollst, denkst du an deinen Hund.
Nachdem ich unter der Dusche die Arie »Draußen ist Freiheit« gesungen hatte (trotz der Kevin-Tarte-Enttäuschung halte ich immer noch an meinem Ritual fest, ich finde, das zeugt von enormer Größe), fühlte ich mich schon besser. Und ich beschloss: Nach der Thorsten-Havener-Enttäuschung sollte dies mein Tag werden. Mein absoluter Wohlfühltag. Mir fiel ein neues Spa ein, das gerade am Jungfernstieg aufgemacht hatte. Eine Stunde Massage inklusive Ganzkörperpeeling kostete nur 99 Euro, Einführungsangebot. (Ab nächster Woche würde das Ganze 129 Euro kosten, ich sparte also auch noch!)
Wenn nicht heute, wann dann, fragte ich mich und sah schon, wie ein gut aussehender Spa-Mitarbeiter jeder unnützen Hautschuppe meines Körpers den Kampf ansagt. Wahrscheinlich würde er sich besonders viel Mühe geben, weil das Spa ja neu aufgemacht hat und es sich ja gerade am Anfang schnell rumspricht, wenn etwas nicht so gut ist. Wenn ich dann außerdem im Nebensatz noch erwähnen würde, dass ich Journalistin bin ... Ach herrlich. Er würde sich nicht wahrscheinlich Mühe geben, sondern auf jeden Fall würde er so gut sein wie noch nie. Und danach könnte ich mit der Haut eines Babypopos noch ein wenig einkaufen gehen.
Mein Tag begann damit, dass ich mir meine absolute Lieblingsjeans anzog, die ich mir immer für besondere Anlässe aufspare. (Ich trage sie nur selten, da Waschen viel zu riskant wäre!) Sie hat geschlagene 219 Euro gekostet und ist jeden einzelnen verdammten Cent wert. Denn sie macht selbst aus meinen eher unscheinbaren Pobacken einen richtigen Jennifer-Lopez-Arsch. Das letzte Mal kam sie zum Einsatz, als Stefan mit mir Schluss gemacht hatte und wir uns noch einmal zu einem klärenden Abschlussgespräch trafen. (Natürlich muss man in klärenden Gesprächen mit dem Ex das Beste aus sich rausholen und so umwerfend wie möglich aussehen.) Ich wusste: Meine Hose war die einzige Möglichkeit, ihn noch zurückzuerobern. Darum musste sie auch eine tragende Rolle während des Gesprächs übernehmen. Ich ging also alle zehn Minuten auf die Toilette, nur damit Stefan jedes Mal von hinten meinen Hintern bewundern konnte. Ich war mir sicher, dass er irgendwann denken würde: »Verdammt, diesen Hintern kann ich einfach nicht verlassen.« Doch auch nachdem ich zum fünften Mal langsam zur Toilette geschritten war und dabei lasziv meine Hüften bewegt hatte, sagte Stefan nichts.
Ich weiß zwar nicht, woran es damals gescheitert ist, aber an meiner Hose lag es hundertprozentig nicht. Sie hat ihr Bestes gegeben.
Auch heute Morgen verhielt sie sich einfach vorbildlich. Sie ließ meinen Hintern in ungeahnte Höhen schweben und ihr 15-prozentiger Elasthan-Anteil schaffte die perfekte Illusion eines flachen Bauches. Bevor ich, Jennifer Lopez die Zweite, die Wohnung verlassen wollte, gönnte ich mir noch eine Tasse heiße Schokolade von Lindt, 80-prozentiger Kakaoanteil, 100-prozentige Glücksgarantie. Gott, was fühlte ich mich gut. Heiße Schokolade trinken in meiner Lieblingsjeans. Besser konnte ein Wohlfühltag einfach nicht beginnen.
Als ich den zweiten Schluck nahm, merkte ich, dass heiße Schokolade und Lieblingsjeans eine unwahrscheinlich ungünstige Konstellation ist. Ich hatte den Mund so gierig an den Becher geführt, dass dieser plötzlich Schlagseite bekam und sich der gesamte Inhalt innerhalb Sekunden auf meinen Oberschenkel entleerte. Die Hose konnte ich vergessen.
Aber, ganz ruhig bleiben. Ganz ruhig bleiben. Ich wollte mich ja nicht unterkriegen lassen. Ich beschloss, die Hose einfach in die teure Reinigung in Eppendorf zu bringen. Kein Problem. Alles kein Problem!
Doch nachdem ich mir meine Lieblingsjeans versaut hatte, überschlugen sich die Ereignisse. Anders kann man es einfach nicht ausdrücken.
Ich zog die Hose so ungeschickt aus, dass ich mir am Reißverschluss den Nagel meines Ringfingers einriss, bis ins Nagelbett.
Kein Problem, redete ich mir ein. Alles gar kein Problem. Nägel werden für gewöhnlich überbewertet.
Ich wollte gerade mit klarem Kopf im Nagelstudio anrufen, da fiel mir das Handy
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