Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hansen
Vom Netzwerk:
verliebt.« Als wir zu Hause waren, brachte sie mir schonend bei, dass Hugh Grant bestimmt eine Frau hätte und ich außerdem erst 13 sei. Mir war klar: Die Chancen konnten nicht schlechter stehen.
    Doch inzwischen bin ich nicht mehr 13, sondern 29. Eigentlich muss man an dieser Stelle nur eins und eins zusammenzählen. Ich bin bereit für Hugh Grant. Und Hugh Grant für mich.
     

     
    »Schon wieder?« Pia klingt alles andere als begeistert. »Du hast doch auch einen DVD-Recorder, warum musst du den unbedingt bei mir sehen?« Sie gähnt.
    »Mein Fernseher geht nicht«, grummle ich in den Hörer. »Und frag nicht: Ich möchte nicht darüber reden.«
    Pia soll sich mal nicht so anstellen. Sie hat heute ihren ersten Urlaubstag und demnach: frei. Gut, ich erinnere mich daran, dass sie heute zu ihren Eltern fahren wollte. Aber ich finde, wenn die beste Freundin niedergeschlagen anruft und verzweifelt darum bittet, »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« zu sehen, kann man seine Pläne ruhig ändern. Flexibel und spontan sein – das sind die Gebote der Stunde. Außerdem geht’s ja nicht um »Pu, der Bär« oder »Arielle, die Meerjungfrau«. Und »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« ist schließlich auch Pias Highlight 1993 und nicht nur meins.
    »Bitte«, flüstere ich. »Es geht mir echt nicht gut. Du musst auch nicht dabei sein. Ich wollte eigentlich auch nur fragen, ob ich den Film bei dir sehen kann und nicht mit dir. Geht das?«
    Ich höre ein brummiges »Na gut« und springe auf. Mit der DVD in der Hand geht’s zu Pia.
    Na also, der Tag bekommt eine ganz neue Wendung. Das spüre ich.
     

     
    Mir geht es schon sehr viel besser. Hugh Grant und Andie MacDowell haben sich bereits kennengelernt. Sie hatten auch schon Sex in einem Pub und haben sich ganz lange in die Augen gesehen. Gleich kommt die Stelle, an der Hugh Grant zu Andie MacDowell sagt: »Ich bin überwältigt, dich zu sehen. Geh nicht wieder nach Amerika.«
    »Weißt du was«, sagt Pia und wirkt zum ersten Mal an diesem Nachmittag begeistert. Sicher will sie vorschlagen, dass wir den Film als Standbild anhalten und die Szene noch einmal nachspielen. Ach, ich liebe es, wenn wir Szenen nachspielen. Die großen Liebeserklärungen der Filmwelt haben wir inzwischen alle in verteilten Rollen nachgesprochen. Und die Tanzszene aus »Dirty Dancing« im Wasser ist nur daran gescheitert, dass Pia mich nicht hochheben konnte. Und jetzt also wieder »Vier Hochzeiten und ein Todesfall«. Tolle Idee. Pia hat einfach immer tolle Ideen, das kann man nicht anders sagen. Ich will aber Andie MacDowell sein. Das könnte der einzige Streitpunkt werden.
    »Wollen wir den Rest des Films auf Englisch gucken? Dann lernst du das mal ein wenig. Und mir würde es auch nicht schaden. Wir können doch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.«
    »Bitte?« Was redet Pia da?
    »Na ja, Martin Lacey und die Aussicht, englisch sprechen zu müssen, haben dich in eine ganz schöne Krise gestürzt.« Pia kichert und imitiert mich. »Du, Pia, ich kann wirklich kein Englisch. Wirklich nicht. Was mach ich nur?« Sie lacht.
    »Das ist doch Schnee von gestern, Pia. Ich finde, ich hab mich damals prima geschlagen ...«
    »... Ja, weil du kein Englisch sprechen musstest .« Sie sieht plötzlich aus wie meine frühere Englischlehrerin Frau Reinhardt. Immer wenn ich beim Vokabeltest versagte, gab sie mir den korrigierten Bogen mit den Worten »So geht das nicht« zurück, um dann auf dem Weg zum Lehrerpult zu murmeln: »Aber bitte, es ist dein Leben. Du musst wissen, was du tust.«
    »Komm schon«, sagt Pia. »Die letzte Szene können wir ja auch wieder auf Deutsch sehen. Angebot zur Güte?« Sie lacht.
    Ich hasse es, wenn Pia mich erziehen will. Nachdem ich aus München vom Zirkus Krone wiedergekommen war, wollte sie auch schon ihr ganzes pädagogisches Potential an mir ausleben. »Es ist leichter, Englisch erst einmal zu lesen, als zu hören«, hatte sie gesagt und mich gezwungen, einen tibetischen Dokumentarfilm über ein Kamel in Originalton mit englischen Untertiteln zu sehen. (Da mein Fernseher sehr klein ist, mussten wir beide zehn Zentimeter davor sitzen, um die Untertitel überhaupt entziffern zu können. Ein unvergesslicher Fernsehabend, wirklich.)
    Ich befürchte, dass Pia auch in diesem Fall nicht lockerlassen wird.
    »Na gut, dann mach eben.«
    Sie strahlt und klickt sich glücklich im Hauptmenü zu »Sprachauswahl« durch. Wie kann man nur so zufrieden aussehen, wenn man auf den

Weitere Kostenlose Bücher