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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hansen
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Handynummer, die seine Familie kennt und die er guten Freunden gibt. Kein Sekretariat dazwischen. Keine Agentin, die einen verbinden will und es dann doch nicht tut. Ich bin baff.
    Wie gerne würde ich es jemandem zeigen. Zumindest Pia. So ein Mist. Ich kann mich wirklich schwarzärgern, dass sie gerade heute zu ihren Eltern fahren musste. Ist doch wahr, da hat man Hugh Grants Handynummer im Handy und niemand weiß es.
    Ich hab eine Idee. Ich werde gleich in ein gut besuchtes Café gehen und mein Handy (das Telefonbuch geöffnet) auf den Tisch legen. Irgendwie muss es dann doch möglich sein, dass meine Tischnachbarn davon erfahren.
    »Huch«, könnte ich sagen. »Ich muss kurz auf die Toilette. Würden Sie kurz auf mein Handy aufpassen? Bitte nehmen Sie es an sich, es ist sehr wichtig.«
    Meine Tischnachbarn würden das Handy nehmen und einen Blick auf das Display werfen. Ich kenn das doch. Man guckt unwillkürlich auf ein Handy, wenn man es in der Hand hält. Ob man will oder nicht. Das ist so eine Art Reflex. Sie würden also draufgucken und was lesen sie? Na bitte!
    Wenn ich dann von der Toilette wiederkomme, werden sie mich ehrfürchtig ansehen. Ach was, anstarren ja wohl eher. Ich werde unbekümmert »Danke« sagen und (scheinbar nichts ahnend) noch einen Milchkaffee bestellen. Hinterher werden sie sich zuflüstern: »Hast du gesehen? Die Frau, die Hugh Grant kennt, hat sich ganz normal einen Milchkaffee bestellt. Hier bei uns in Hamburg.«
    Vollkommen beglückt, dass mir so ein genialer Plan eingefallen ist, breche ich auf. Ins Café Paris am Rathausmarkt. Café Paris ist in Hamburg der Treffpunkt der Reichen und Schönen. Und ich finde, wenn jemand einen Blick auf Hugh Grants Handynummer in MEINEM Handy werden darf, dann ist es die Oberschicht. Wenn schon, denn schon.
     

     
    Ich habe das Café Paris noch nie so leer gesehen. Ich stehe in der Eingangstür und blicke ungläubig in den – man könnte schon fast sagen – ausgestorbenen Raum vor mir. Eine Kellnerin geht gelangweilt an mir vorbei. »Suchen Sie sich einfach einen Platz aus. Freie Auswahl sozusagen.« Sie lacht und schlurft weiter zur Bar.
    Ich fasse es nicht. Normalerweise ist es im Café Paris immer so brechend voll, dass sich im Eingangsbereich eine Traube von Menschen bildet, die darauf warten, einen Platz zu ergattern. Normalerweise hetzen die gestressten Kellner an einem vorbei, als wären sie auf der Flucht. Und normalerweise wird man irgendwann irgendwo dazwischengequetscht.
    Wem soll ich denn hier bitte mein Handy in die Hand drücken? Ich hatte mich schon darauf gefreut, irgendwo dazwischengequetscht zu werden. Dann würden schließlich so viele Leute von meinem Telefonbuch Wind bekommen, dass sich die Nachricht, eine Frau hier im Café habe die Handynummer von Hugh Grant, wie ein Lauffeuer verbreiten würde.
    Aber so???
    An der linken Seite sehe ich ein verliebtes Pärchen, das sich wie in einem Trancezustand in die Augen blickt. Sie sind so auf sich konzentriert, dass sie mich wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen würden, geschweige denn mein Handy.
    In der Mitte stehen gerade drei Frauen, Ende dreißig, von einem Tisch auf und ziehen sich ihre Jacken an. Die wären perfekt gewesen. Ob ich sie aufhalten soll? Sie gehen an mir vorbei, und ich überlege für einen Moment, ihnen noch schnell »IchhabedieNummervonHughGrant« zuzuzischen. Doch raus sind sie.
    Der letzte mögliche Komplize, meinen Plan umzusetzen, sitzt rechts neben dem Eingang zur Toilette. Es ist ein alter Opa, Mitte achtzig, der gedankenverloren in seinem Kaffee rührt. Besser als nichts! Und vielleicht hat er ja eine Enkelin, der er morgen davon erzählen kann und die dann die Nachricht hinaus in die Welt trägt.
    Ich setze mich an den Tisch neben ihn und versuche schon mal rüberzulächeln. Keine Reaktion. Er rührt weiter in seinem Kaffee.
    »Dürfte ich die Karte einmal haben?«, frage ich und zeige auf die Karte, die vor ihm liegt.
    »Ja, natürlich«, sagt er. »Nehmen Sie sie einfach. Ich sehe leider nichts.« Oh Gott. Dieser Mann ist blind! Jetzt sehe ich auch seinen Blindenstock, der unter dem Tisch an seinem Stuhlbein lehnt.
    »Das ... das tut mir leid«, stammle ich.
    »Macht doch nichts, junge Dame. Das Alter, wissen Sie.« Er lacht. »Womit kann ich Ihnen helfen? Ach ja, die Karte wollten Sie haben.« Er tastet den Tisch ab und gibt sie mir.
    »Danke«, sage ich kleinlaut.
    Ich sehe mir lustlos die Karte an. Auf ganzer Linie gescheitert, würde ich sagen.

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