Fraeulein Jensen und die Liebe
die unter ihrem Spitznamen porträtiert wurde, und als sie ihr erstes Kind bekam, schaltete unser Jahrgang eine Zeitungsanzeige mit dem Text »Wir gratulieren Matschi zur Geburt ihrer Tochter«.
Ich rutsche näher an den Fernseher ran. Der schreibt sich ja auch mit »cz«. Ob er auch unter seinem Namen leidet? Ob er auch einen Spitznamen hat? Winni vielleicht? Na, halleluja.
»Meinst du, der würde meinen Namen annehmen?«, frage ich gedankenverloren. Oh Gott. Halt, zurück. Ich habe es schon wieder getan. Ich habe den zehnten Schritt vor dem ersten gemacht. Aber als Pia »Patrick Winczewski« sagte, sah ich plötzlich Bilder vor meinem inneren Auge. Ich habe gesehen, wie ich im Restaurant einen Tisch auf »Winczewski« reserviere, und ich hörte regelrecht, wie ich mich auf einer Party mit »Hannah Winczewski« vorstelle.
Pia sieht mich an, als wäre ich endgültig verrückt geworden.
»Noch mal zum Mitschreiben. Warum genau soll er deinen Namen annehmen?«
»Scherz«, sage ich und versuche zu lachen. »Hallo? Verstehst du etwa keinen Spaß mehr?«
»Dir trau ich inzwischen alles zu.« Sie schüttelt entrüstet den Kopf.
»Ach Pia, sei doch nicht so naiv«, flöte ich. »Er kann meinen Namen gar nicht annehmen, weil er mich ja noch gar nicht kennt. Doch genau das werde ich ändern. Patrick Winczewski wird Traummann Nummer acht. Was sagst du?«
Pia zögert. Begeistert sein sieht irgendwie anders aus.
»Willst du nicht erst einmal herausfinden, wie dieser Herr Winczewski eigentlich aussieht? Ehrlich gesagt würde ich bei Synchronsprechern nicht zu viel erwarten. Ich meine, es hat ja einen Grund, warum der sich in einem dunklen Kabuff hinter einem Mikro verstecken muss und nicht zum Beispiel selbst Schauspieler geworden ist.«
Also wirklich, Pia hat Ideen. Ich kläre sie auf, dass im Fall von Patrick Winczewski das Aussehen natürlich zweitrangig ist. Nein, ich will nichts über ihn wissen. Ich interessiere mich nur für Patricks Stimme. Ausschließlich. Der Mensch an sich ist viel zu oberflächlich, das war mir tief im Innern schon immer bewusst. Es ist einfach zu kurz gedacht, nur auf Äußerlichkeiten zu achten. Schönheit vergeht, Stimmen bleiben, sag ich immer. Nein, Patrick (ich würde gerne schon zum Du übergehen) würde ich auch nehmen, wenn er drei Nasen hätte. Ist das nicht furchtbar romantisch?
Irgendwie wusste ich schon heute Morgen, als ich mir die heiße Schokolade mit einem beherzten Schwung auf meine Lieblingsjeans kippte, dass das noch ein ganz besonderer Tag werden würde. Ich kann es kaum erwarten. Bald werde ich mit der wunderbarsten Stimme unter der Sonne sprechen. Ich bin ein richtiges Glückskind.
Am nächsten Tag verschwindet Pia zu ihren Eltern und ich gehe auf Stimmenfang.
Als sie weg ist, schalte ich sofort den Computer an, um meine Mails abzurufen. Ich habe gestern per Mail eine InterviewAnfrage an die Managerin von Patrick Winczewski geschickt. Wer weiß, vielleicht hat sie ja schon geantwortet. Oh Gott, und wenn sie nun vorschlägt, dass das Gespräch heute stattfinden kann? Wie sehe ich eigentlich aus? Meine Lieblingsjeans ist in der Reinigung, ob ich das Modell noch irgendwo bekomme?
Pia würde an dieser Stelle antworten: »Darum kümmern wir uns später. Sieh doch erst einmal nach, ob du überhaupt eine Antwort hast.«
Ja, wie recht du hast, liebe imaginäre Pia.
Möglichst gelangweilt öffne ich das E-Mail-Programm. Ich werd verrückt. Drei E-Mails!
Zwischen zwei E-Mails, in denen man mir eine Penisverlängerung anbietet und mich eine »geileBraut_USA« unmissverständlich auffordert »länger ficken!jetzt!«, sehe ich:
Betreff: RE: Interviewanfrage Patrick Winczewski
Zusammenfassung der wunderbaren sechs Zeilen:
Ja, ein Interview sei kein Problem. Patrick Winczewski sei sowieso gerade – ich zitiere – »für eine Produktion« in Hamburg und hätte übermorgen Zeit, sich mit mir zu treffen. Für Ort und Uhrzeit sollten wir noch einmal telefonieren. Sie hätte ihm meine Handynummer gegeben, er werde sich dann melden. Und zur Sicherheit schrieb sie mir auch seine Nummer in die Mail. Mit freundlichen Grüßen!
Ich speichere seine Nummer sofort in mein Handy ein.
Name: Hugh Grant. Gewissermaßen ist Patrick Winczewski ja Hugh Grant.
Oh Gott. Ich öffne wieder und wieder das Telefonbuch. Ich kann es nicht glauben. Zwischen »Hausverwaltung Kühne« und »Iris mobil« stehts: Hugh Grant. Dahinter: seine Handynummer. Seine ganz persönliche
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