Fraeulein Jensen und die Liebe
grundsätzlich auf so etwas stehen würde. Aber ich mag es, wenn Männer wissen, was sie tun. Gerade hat Steffen Henssler zum Beispiel zu einer Kandidatin gesagt: »Warte noch eine halbe Minute, dann kannst du das Filet anbraten.« Er sagte das so bestimmend. So als ob er keinen Widerspruch dulden würde.
Steffen Henssler ist sicher einer der Männer, die einen beim Küssen an die Wand drücken, denke ich und starre beseelt auf den Fernseher. Gleich wird es spannend. Die Kandidaten haben nur noch fünf Minuten Zeit, um ihre Gerichte auf den Tellern anzurichten. Ich liebe diese Stelle. Steffen Henssler wird dann immer so herrlich hektisch. Er treibt die Kandidaten an, sich zu beeilen. Dabei geht er schnell auf und ab (sieht extrem dynamisch aus), salzt hier und da noch einmal fachmännisch nach, und neulich hat er zu einer Kandidatin gesagt: »So, Madame, Endspurt.« (Sollten wir tatsächlich zusammenkommen, werde ich immer bewusst trödeln, wenn wir das Haus verlassen wollen. Dann sagt er sicherlich auch »So, Madame, Endspurt« zu mir. Wäre das nicht herrlich?)
Himmel, gleich ist die Sendung vorbei, und ich habe immer noch nicht das herausgefunden, was ich eigentlich wollte: Trägt Steffen Henssler einen Ehering? Ich rücke näher an den Fernseher heran. Gerade dreht Henssler an einer Pfeffermühle (sogar das sieht bei ihm viel gekonnter aus als bei unsereins) und seine Hände werden in Großaufnahme gezeigt. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Kein Ehering! Und es kommt noch besser: Er trägt ein geflochtenes Lederarmband am rechten Arm. Ein Lederarmband! Ich kann mein Glück kaum fassen.
Männer mit Lederarmbändern sind unabhängig und ungebunden. Sie haben neben ihrem Bett ein Surfbrett stehen, geben als Hobby »Rafting« an und fühlen sich noch wie dreißig, auch wenn sie schon in Rente gehen. Und vor allem: Männer mit Lederarmbändern sind auf der Suche. Nach der einen, großen Liebe.
»Hier bin ich!«, rufe ich in den Fernseher und hoffe im gleichen Moment, dass mich meine Nachbarin vom Haus gegenüber nicht sieht und denkt: »Jetzt spricht sie schon mit ihrem Fernseher.«
Die Sendezeit ist inzwischen vorbei und Steffen Henssler bedankt sich bei den Zuschauern fürs Einschalten.
»Gern geschehen«, sage ich laut in Richtung Fernseher.
»Ich hoffe, dass Sie morgen wieder dabei sind und wir uns wiedersehen.« Er winkt in die Kamera.
»Natürlich«, flüstere ich, während der Abspann läuft. »Und wir werden uns bald sogar in Wirklichkeit sehen. Versprochen.«
Vielleicht hätte ich doch etwas essen sollen. Zumindest etwas Kleines. Oh Gott, ich kann nicht mehr. Alles dreht sich. Gleich kippe ich um.
Ich bin auf dem Weg zu Steffen Henssler. Ja, zu Steffen Henssler. Nachdem ich ihn zu Traummann Nummer neun erkoren hatte, schrieb ich sofort eine E-Mail an sein Management. Die Antwort kam prompt am nächsten Tag: Ein Interview sei kein Problem. Ich könnte doch einfach am kommenden Donnerstag um 14.30 Uhr in sein Restaurant kommen, dann könnten wir uns dort ein wenig unterhalten.
Donnerstag ist heute und 14.30 Uhr in einer halben Stunde. Eigentlich sollte ich jetzt glücklich sein. Eigentlich sollte ich jetzt daran denken, wie ich ihm gleich gegenübersitzen werde. Wie wir miteinander sprechen. Wie wir zusammen lachen werden. Wie wir uns immer näher kommen und uns vielleicht ein wenig ineinander verlieben. Aber nein. Der einzige Gedanke, den ich fassen kann, ist: »Ich habe einen Riesenkohldampf.« Und noch nicht einmal den kann ich klar formulieren, sodass eher ein »Ich haben Hunger« die ganze Zeit in meinem Kopf schwirrt.
Ich befürchte, ich habe einen großen Fehler begangen.
Als vor drei Tagen die Zusage von Hensslers Management kam, habe ich schlagartig aufgehört zu essen. Ich hatte gerade ein Schokocroissant im Mund, als ich die Mail abrief. Ich warf es in hohem Bogen in den Müll. Natürlich, schließlich sollte ich Steffen Henssler in seinem Restaurant treffen. Da lag es doch nahe, dass er mir auch etwas zu essen anbieten würde. Und da das Restaurant von Steffen Henssler keine abgeranzte Pommesbude ist, sondern eines der besten Restaurants in Hamburg, würde ich es mir doch nie verzeihen, wenn ich so pappsatt wäre, dass ich sagen müsste: »Ach nein, für mich nichts. Ich nehme nur ein stilles Mineralwasser.« Ich fand meinen Plan schlichtweg genial:
1. Ich würde zum Interviewtermin einen gesunden Appetit haben und könnte so beherzt kleine Köstlichkeiten futtern.
2. Ich
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