Frag die Toten
hast
du
aufgeklärt! Wenn du nicht diese Vision gehabt hättest, wäre die Kleine jetzt tot. Das hast du mir selbst erzählt.«
Keisha löste sich von Gail Beaudry und stand auf. »Vielleicht habe ich da ein bisschen dick aufgetragen.«
Gail versetzte Keisha einen Klaps auf die Hand. »Das ist jetzt falsche Bescheidenheit. Ich weiß, wozu du imstande bist.«
»Aber ich glaube wirklich nicht, dass ich dir hier helfen kann. Ich meine, die Polizei wird gar nicht zulassen, dass ich meine Nase da reinstecke. Die haben nicht viel übrig für Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten. Für die sind wir nur Spinner.«
Gail stand auf. »Das ist mir egal«, sagte sie trotzig. »Wenn du für mich arbeitest, können die nichts dagegen tun.«
Keisha sah Kirk an, doch seine Miene war unergründlich. Sie sah nur das Blut an der Wange, wo sie ihn gekratzt hatte. Vielleicht war er noch immer zu verdutzt, um irgendwas mitzukriegen.
Eines aber wusste Keisha genau: Sie konnte nicht noch einmal in dieses Haus gehen.
Sie war sich einigermaßen sicher, dass die Saat, die sie Gail bezüglich ihrer Visitenkarte eingepflanzt hatte, aufgehen würde. Wenn die Polizei schließlich bei ihr auftauchte und deswegen Fragen stellte, dann hätte sie eine plausible Erklärung, wie die Karte in Wendell Garfields Hemdtasche gekommen war, ohne dass sie, Keisha, sein Haus je betreten hätte. Er hatte die Karte zufällig gefunden, in einer Schublade vielleicht, und sie sich eingesteckt, weil er mit dem Gedanken spielte, Keisha vielleicht doch anzurufen und sie um Hilfe bei der Suche nach seiner Frau zu bitten.
Aus Gails Schilderung ging allerdings klar hervor, dass Garfield genau wusste, was aus seiner Frau geworden war. Seine Tochter hatte sie getötet, und er hatte ihr geholfen, ihre Spuren zu verwischen. Warum sollte er also die Hilfe eines Mediums in Anspruch nehmen?
Andererseits waren er und Melissa ins Fernsehen gegangen und hatten die Bevölkerung um Hinweise gebeten, die sie gar nicht brauchten. War es dann nicht auch denkbar, dass Garfield eine Hellseherin engagierte, um den Schein aufrechtzuerhalten, er wisse nicht, was aus seiner Frau –
»Ich zahle dir fünftausend Dollar«, sagte Gail.
»Was?«, sagte Keisha.
»Ich zahle dir fünftausend Dollar, damit du mir hilfst. Ich will die Wahrheit wissen.«
Keisha schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Gail. Ich –«
»Sie macht’s«, sagte Kirk.
[home]
Fünfundzwanzig
K ann ich dich einen Augenblick sprechen?«, sagte Keisha zu Kirk und zog ihn in die Küche. Gail Beaudry blieb im Wohnzimmer.
»Bist du übergeschnappt?«, flüsterte sie, sobald sie außer Hörweite waren.
»Hier geht’s um fünf Riesen«, sagte er. »Du darfst halt nicht die Nerven verlieren, wenn du da reingehst, und sagen, ach du Scheiße, ich glaub,
ich
war’s.«
»Ich geh da nicht mehr rein. Ich kann das nicht.«
»Klar kannst du«, sagte er. »Dann kannst du aus diesem beschissenen Tag wenigstens noch was rausholen.« Kirk wusste ja nicht, dass sie Garfield noch Geld abgeluchst hatte, bevor alles aus dem Ruder lief. Doch selbst wenn er es gewusst hätte, hätte er sie dazu gedrängt, Gails Bitte nachzukommen. Fünftausend Dollar waren schließlich kein Pappenstiel.
»Es ist nicht richtig«, sagte Keisha. »Findest du es richtig, das Geld dieser Frau anzunehmen, um ihr zu helfen, den Mörder ihres Bruders zu finden? Findest du das nicht ein ganz klein bisschen unanständig?«
Kirk zuckte die Achseln. »Na und? Als ob das, was du sonst so treibst, hochanständig wäre!«
»Ich kann das nicht, ich –«
»Alles in Ordnung bei euch?«, fragte Gail. Sie stand in der Küchentür.
»Ja«, sagte Kirk. »Keisha meinte nur gerade … Es ist ihr wirklich peinlich, das ausgerechnet jetzt zu verlangen, aber sie braucht das Honorar im Voraus, in bar.«
Gail fielen fast die Augen aus dem Kopf, doch sie sagte: »Wir können unterwegs bei der Bank vorbeifahren. Ist dir das recht?«
»Sehr recht«, antwortete Kirk an Keishas Stelle.
Keisha versuchte, sich zu konzentrieren. »Warte doch schon mal im Auto auf mich«, sagte sie zu Gail. »Ich komme gleich nach.«
Als sich die Tür hinter Gail geschlossen hatte, sagte Kirk: »Die Alte muss ja Geld wie Heu haben. Ich wette, aus der kannst du noch viel mehr rausholen. Wo hat die denn die ganze Knete her?«
Keisha schüttelte den Kopf. Das interessierte sie im Moment am allerwenigsten. Trotzdem sagte sie: »Ihr Mann ist Immobilienmakler, und sie hat ein Vermögen
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