Frag die Toten
fängt ganz schön zu miefen an.«
»Im Sommer, ja, da würde ich’s verstehen«, sagte Wedmore. »Aber jetzt können Sie das doch in die Mülltonne tun, wahrscheinlich friert es da drin ein in den nächsten Tagen.«
Kirk zuckte die Achseln und kletterte auf den Fahrersitz. »Jeder macht’s halt, wie er glaubt.«
»Sie wollen also wirklich wegen diesem einen Sack zur Müllkippe fahren? Ist das nicht ein bisschen verrückt?«
Wieder ein Achselzucken. »Ich tu nur, was der Boss mir sagt.«
Keisha hatte alles mit angehört. Ihr war klar: Jetzt war alles aus. Sie fragte sich, ob Kirk schon so hohl auf die Welt gekommen war oder ob das der Aushub vieler Jahre harter Arbeit war.
»Wo ist die Kippe überhaupt?«, fragte Wedmore.
»Noch mal?« Jetzt wurde er auch noch von Schwerhörigkeit geplagt.
»Wo die Müllkippe ist, will ich wissen. Falls ich auch mal viel auszumisten habe. Wo ist sie?«
»Die Müllkippe?«, wiederholte Kirk. »Wo die ist?«
Keisha dachte über Anwälte nach. So auf Anhieb fiel ihr niemand ein. Sie wollte nicht einen x-beliebigen aus dem Branchenbuch anrufen. Eine persönliche Empfehlung wäre hilfreich.
»Das war meine Frage«, sagte Wedmore.
»Einfach immer die Route 1 lang Richtung Norden«, sagte er.
»Machen Sie den Sack auf«, sagte die Polizistin.
»Wie bitte, was?«
»Sie haben schon verstanden. Sack öffnen.«
»Das wird zum Himmel stinken«, sagte er. »Sind Sie ganz sicher, dass Sie das wollen?«
»Ja.«
Wedmore machte ein paar Schritte rückwärts, damit Kirk aussteigen konnte. Er stellte sich seitlich vor die Ladefläche, ergriff den Sack an den Schlingen des roten Bands, hob ihn heraus und stellte ihn auf den Boden.
»Mom, krieg ich was zu essen?«
Keisha wirbelte herum. Matthew stand hinter ihr. »Geh in dein Zimmer!«, schrie sie ihn an.
Der Junge erschrak und rannte zurück ins Haus.
»Aufmachen«, sagte Wedmore.
Das Band war verknotet, deshalb musste Kirk mit einem Finger das grüne Plastik durchbohren und den Sack aufreißen. Er sah zu Keisha hinüber, verzog das Gesicht, wie um sich zu entschuldigen, dann riss er den Sack noch weiter auf. Als das Loch so groß wie ein Papierteller war, forderte Wedmore ihn auf, zur Seite zu gehen.
Sie beugte sich über den Sack, spähte hinein und sah dann Kirk an. »Ich seh hier keinen Fisch.«
»Nicht?«
»Nein, ich sehe jede Menge Pizzareste, aber keinen Fisch.«
Kirk blinzelte. »Dann muss ich was durcheinandergebracht haben.«
[home]
Dreißig
D er Vollidiot hatte den falschen Sack erwischt.
Das war bestimmt eine Premiere. Das erste Mal, dass Kirks Dummheit sich bezahlt gemacht hatte. Noch lieber hätte Keisha es zwar gesehen, wenn er ganz ohne Sack zurückgekommen wäre, aber wenn er schon einen zurückbrachte, dann doch lieber einen mit Pizzaresten.
Das hieß natürlich, dass der Sack mit den blutigen Klamotten noch immer in dem Müllcontainer hinter dieser Pizzeria war. Keisha betete im Stillen, dass die Müllabfuhr ihn schließlich mitnehmen würde und niemand ihn entdeckte.
Der Sack war jedoch im Moment nicht ihr größtes Problem. Es war diese verdammte Karte.
Wenn die der einzige Anhaltspunkt war, dass sie Garfield besucht hatte, dann, davon war Keisha überzeugt, konnte sie das aussitzen. Würde nicht jeder Anwalt, der halbwegs etwas taugte, ein Dutzend Erklärungen aufzählen können, wie sie in die Hemdtasche des Toten gelangt war?
Sie bemühte sich, die Ruhe zu bewahren, während Wedmore, die jetzt Gummihandschuhe trug, den Müll im Sack sichtete. Pizzareste, leere Limodosen und Wasserflaschen, dreieckige Kartons für Pizzastücke zum Mitnehmen, Servietten.
Keisha hörte, wie Wedmore Kirk noch mehr Fragen stellte.
»Wo haben Sie das denn her?«
»Wir hatten unlängst Pizza zum Abendessen«, sagte er.
»Das ist nicht der Abfall von einmal Pizza essen«, sagte Wedmore. »Das sieht eher nach Restaurantabfall aus.«
»Nein, der ist von hier«, behauptete Kirk steif und fest. »Die kl… der Kleine hatte ein paar Freunde zum Pizzaessen da. Die haben eine Riesenschweinerei veranstaltet. Ich glaube, Fischstäbchen gab’s auch, deswegen hab ich Fisch gesagt, dass ich den aus dem Haus haben wollte.«
Keisha konnte sich schon denken, mit wem Wedmore als Nächstes reden wollen würde: Matthew. Sie würde wissen wollen, wann dieses Pizzaessen stattgefunden hatte. Wie viele Freunde da gewesen waren. Wie sie hießen.
Kaum hatte sie ein wenig Hoffnung geschöpft …
Sie ging ins Haus zurück und klopfte
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