Frag die Toten
noch im Wagen«, sagte er unbekümmert. »Den wollte ich loswerden, wenn der Kleine auftaucht. Ich wollte mit ihm ins Einkaufszentrum fahren, dort eine Kleinigkeit essen und das Ding dann in eine von deren Mülltonnen schmeißen.«
Keisha überlegte, ob sie sich stellen sollte. Dann wäre es schneller vorbei. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch. Ich bin zurückgedüst, weil du wolltest, dass jemand für das Kind da ist, wenn du nicht rechtzeitig wiederkommst. Den bring ich schon noch weg, keine Panik.«
»Dann ist dieser Müllsack also hier, in der Einfahrt?«
»Keine Panik. Es ist alles unter Kontrolle. Wo ist der Kleine überhaupt?«
»Keine Ahnung«, sagte Keisha. Sie verließ die Küche und stellte sich an die Haustür, um nach Matthew Ausschau zu halten. Sie sah Kirks Pick-up neben ihrem Wagen stehen.
Sie konnte hinten keinen Sack sehen.
»Kirk!«, rief sie. »Ich seh keinen Sack!«
»Der ist aber da«, sagte er müde. »Liegt direkt unter dem Heckfenster.«
Sie wollte gerade hinausgehen und selbst nachsehen. Doch da sah sie, wie ein dunkler Wagen vor der Einfahrt hielt. Ein nicht gekennzeichneter Polizeiwagen. Rona Wedmore stieg aus, betrachtete das Haus, sah Keisha im Eingang stehen und lächelte.
»Perfekt«, sagte Keisha.
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Neunundzwanzig
D etective Wedmore warf im Vorübergehen einen Blick auf die Ladefläche von Kirks Pick-up. Sie war leer, bis auf den grünen Müllsack mit dem roten Zugband. Sie stieg die drei Stufen zur Haustür hoch, als Keisha die Tür öffnete.
»Detective«, sagte Keisha.
»Ms. Ceylon«, sagte Wedmore und nickte ihr zu. »Darf ich reinkommen?«
Keisha hielt ihr die Tür auf. Als Wedmore das Haus betrat, sah sie Kirk im Eingang stehen. »Hi, wie geht’s? Ich bin Detective Wedmore von der Polizei in Milford.«
Kirk, der die rechte Hand gerade nicht frei hatte, weil er sich damit die fünftausend Dollar Bargeld in die Gesäßtasche stopfte, reichte ihr ungeschickt die linke. Wedmore nahm sie, als sei sie nichts anderes gewohnt.
»Hey«, sagte er mit gespielter Fröhlichkeit. »Ich bin Kirk. Freut mich, Sie kennenzulernen.« Er lächelte sie an.
»Was haben Sie denn mit Ihrem Gesicht gemacht?«
Er berührte seine zerkratzte Wange. »Nichts«, sagte er.
»Ich hatte ein interessantes Gespräch mit Mrs. Beaudry«, sagte Rona Wedmore zu Keisha. »Sie hat da etwas gesagt, über das ich gerne mit Ihnen sprechen würde.«
»Natürlich«, sagte Keisha. »Wollten Sie unter vier Augen mit mir reden?«
»Nein, das ist nicht nötig«, sagte die Polizistin und schenkte Kirk ein Lächeln, der sich noch immer damit abmühte, das Bündel Geldscheine in der hinteren Hosentasche zu verstauen. »Es geht wieder um diese Karte.«
»Meine Visitenkarte?«
»Genau. Sie sagt –«, Wedmore unterbrach sich und sah Kirk an. »Verzeihung, das ist jetzt wahrscheinlich sehr unhöflich von mir. Hat Ihnen Ms. Ceylon erzählt, was heute geschehen ist?«
»Äh, ein bisschen was«, sagte er zögernd. »Von irgendeinem Typen, den sie umgebracht haben.«
»Genau. Wendell Garfield.«
»Ah, der, der im Fernsehen war, weil er seine Frau sucht. Ich weiß, wen Sie meinen.«
»Als wir Mr. Garfield fanden, hatte er Ms. Ceylons Visitenkarte in seiner Hemdtasche.«
Kirk riss die Augen auf. »Mensch, das ist ja allerhand. Ist das nicht allerhand, Keisha?«
Sei still, dachte Keisha. Sie hätte es laut sagen sollen.
»Dann wollte er Keisha vielleicht engagieren, damit sie rausfindet, was mit seiner Frau ist. Das macht sie nämlich. Sie hat diese Gabe. Sie sieht alles Mögliche.« Er lächelte Keisha zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Und sie hilft gerne anderen Menschen.«
Sei still, sei still, sei still.
Wedmore wandte sich wieder Keisha zu. »Sie hatten eine Theorie, wie Mr. Garfield zu Ihrer Karte gekommen sein könnte. Von Ihnen selbst hatte er sie ja anscheinend nicht.«
»Ich weiß nicht, wie er zu meiner Karte gekommen ist, aber dass er sie von Gail bekommen hat, seiner Schwester, ja, das könnte ich mir schon vorstellen. Immerhin kommt sie schon längere Zeit zu mir und lässt sich beraten.«
»Richtig, das sagten Sie schon. Ich habe also Mrs. Beaudry danach gefragt. Ob sie ihrem Bruder Ihre Karte gegeben hat.«
Keisha wartete.
»Und sie sagte, es wäre möglich. Sie erinnere sich zwar nicht daran, aber es könnte sein, dass sie sie ihm gegeben hat, oder Mrs. Garfield.«
»Na also, da haben Sie’s«, sagte Keisha. Sie war jedoch nicht so erleichtert, wie sie es gerne
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