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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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leise an Matthews Tür, bevor sie sie öffnete. Matthew saß mit einem Gameboy auf dem Bett und hielt demonstrativ den Blick gesenkt, als seine Mutter das Zimmer betrat.
    »Es tut mir leid, Spatz«, sagte Keisha. »Tut mir leid, dass ich dich angebrüllt hab.«
    »Ich hab überhaupt nichts getan«, sagte er.
    »Das weiß ich. Es ist nur, heute war’s hier ziemlich stressig.«
    »Warum ist die Polizistin da?« Endlich kam er auf die Idee, zu fragen.
    »Ein Mann ist gestorben.«
    »Was für ein Mann?«
    »Keiner, den wir kennen, mein Schatz. Aber der Tote hatte eine Visitenkarte von mir in der Tasche, deswegen hat sie mich gefragt, ob ich ihn kannte.«
    »Was ist dem Mann denn passiert? Hatte er einen Unfall oder wurde er erschossen oder so?«
    So müde wie in diesem Augenblick hatte Keisha sich den ganzen Tag noch nicht gefühlt. »Er wurde … erstochen.«
    »Sie will also herausfinden, wer ihn erstochen hat?«
    Keisha setzte sich auf die Bettkante und legte ihrem Sohn die Hand aufs Knie. »Ja. Genau das will sie.«
    »Dann rennt da also irgendein Verrückter rum und ersticht andere Leute?«, fragte er, jedoch eher aufgeregt als ängstlich.
    »Nein, kein Verrückter«, sagte Keisha. »Es könnte sogar sein, dass der Mann, der gestorben ist, der Böse war und dass die Person, die ihn erstochen hat, einen Grund dafür hatte. Vielleicht musste sie sich schützen.« Sie hielt inne. »Oder er«, fügte sie hinzu.
    »Ah, dann war das Notwehr.« Auch Matthew hatte schon genügend Krimis gesehen.
    »Könnte sein«, sagte Keisha. »Ich muss dich was fragen.«
    Matthew legte sein Videospiel zur Seite. »Was denn?«
    »Hier ist es im Winter immer so kalt und grau. Hättest du Lust, nach Kalifornien zu fliegen und dort ein bisschen zu bleiben?«
    »Du meinst, San Francisco oder so? Bei deiner Cousine?«
    »Ich habe sie noch nicht gefragt, aber das war ungefähr das, woran ich dachte.«
    »Wann würden wir fliegen?«
    Keisha strich ihm zärtlich über die Wange. »Ich dachte eher, dass du allein fliegst. Du bist ja schon zehn, bald bist du ein junger Mann. Das wär doch was, hm, du ganz allein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich glaub nicht, dass ich allein da hinwill. Außer vielleicht übers Wochenende oder so.«
    Wie wär’s mit fünf bis zehn Jahren?,
dachte Keisha.
    »Ich bin nicht unbedingt Carolines Lieblingscousine, aber dich mag sie, und sie würde sich bestimmt freuen, dich zu sehen. Und wahrscheinlich würde sie sich noch mehr freuen, wenn ich hierbleibe.«
    »Warum mag sie dich nicht?«, fragte Matthew.
    Keisha lächelte traurig. »Ich glaube nicht, dass sie mich nicht mag. Sie ist nur enttäuscht von mir. Manchmal bin ich auch ein bisschen enttäuscht von mir.«
    »Ich bin nicht enttäuscht von dir«, sagte Matthew. »Aber Kirk, den hasse ich.«
    Keisha nickte. »Ja, das hab ich gemerkt. Aber hör mal, darüber können wir später reden, jetzt musst du mal kurz weg. Geh doch rüber zu Brendan.«
    »Wenn’s sein muss. Warum muss ich weg?«
    »Ich muss vielleicht noch mal mit der Polizistin reden, und ich glaube nicht, dass sie über Polizeisachen reden will, wenn Kinder dabei sind.«
    »Oh.«
    »Und ich möchte, dass du hintenrum gehst.«
    »Warum?«
    »Weil sie gerade vor dem Haus ist und mit Kirk redet, und ich glaube, sie will jetzt nicht gestört werden.«
    »Kriegt Kirk jetzt Ärger?«, fragte der Junge hoffnungsvoll.
    »Ich … ich glaube nicht.«
    Matthews Gesicht verdüsterte sich. »Ich hatte gehofft, dass … vielleicht er den Mann erstochen hat … Dass sie ihn mitnimmt.«
    »Oh, Schätzchen.«
    »Bleibt er für immer bei uns?«
    »Matthew, ich weiß nicht mal, was in einer Stunde sein wird.«
    »Liebst du ihn?«, fragte Matthew.
    »Ob ich Kirk liebe?«
    Er nickte.
    »Ich dachte es, am Anfang, als ich ihn kennenlernte. Da war er noch nicht so. Aber jetzt? Nein, jetzt nicht mehr. Warum?«
    »Ich hatte Angst, dass du ihn lieber hast als mich.«
    »Was?« Sie schlang die Arme um ihn und drückte ihn an sich. »Wie konntest du so was auch nur denken?« Sie spürte, wie er die Achseln zuckte. »Nein, heraus damit, ich will eine Antwort.« Sie gab ihn frei, legte ihm einen Finger unters Kinn und hob seinen Kopf, so dass er ihr in die Augen sehen musste. »Wie kommst du auf diese Idee?«
    »Wegen was, was Kirk gesagt hat.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt, ich soll das eigentlich gar nicht wissen, damit ich nicht darüber reden kann. Besonders nicht mit dir.«
    »Matt, hör mir zu. Mit

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