Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
hat uns weggejagt!“, seufzte ich. Der Alkohol zeigte seine
Wirkung. Wir wurden schwermütig vor Heimweg.
„Und die
alten Leute erst! Die haben den ganzen Tag unter der Markise Karten gespielt
und einen Höllenlärm dabei gemacht! Die Markisen! Gino, wir brauchen auch eine
typisch italienische Bar-Markise aber eine gut erhaltene, frag deinen Bruder!“.
Gino
notierte es sich auf seinen fettfleckigen Notizblock. Und dann holte Gino eine
Videokassette und schob sie in seinen alten Videorekorder. Auf dem kleinen
Fernseher sah man den Beginn eines unvergesslichen Fußball-Spiels: Die Finale
der Weltmeisterschaft 1982, Italien gegen Deutschland. Die italienische Hymne
sangen wir lauthals mit, die letzten entscheidenden Minuten des Spiels schauten
wir mit glänzenden Augen.
*
Am Abend
wollte ich mit Ilaria und Simona zu unserem traditionellen Zumba -Kurs,
bei dem ich Ilaria kennengelernt hatte.
Es war
damals nicht schwierig gewesen, die einzige andere Italienerin im Kurs zu
identifizieren. Während die anderen Frauen der Anleitung der Trainerin Schritt
für Schritt folgten und punktgenau umsetzten, bauten wir beide eigene,
erfundene Schritte ein und bewegten uns eher spontan zum Rhythmus der
südamerikanischen Musik. Ich für meinen Teil konnte mich beim besten Willen bei
einem so leidenschaftlichen Tanz nicht auf vorgegebene Schritte festlegen. Ich
fand, es war ein Widerspruch in sich. Außerdem war ich am Abend nach einem
langen Arbeitstag nicht in der Lage, mich zu konzentrieren und war daher auf
meine Spontanität angewiesen. Bei Ilaria war es ähnlich, nur dass sie es mit
ihrer Improvisationskunst gerne übertrieb. Mit ihren ausufernden, wilden
Tanzeinlagen und ihren langen blonden Haaren( jawohl, blond, OBWOHL sie
Italienerin ist!) erinnerte sie mich an Shakira.
„Entschuldigen
Sie bitte“, fragte eine junge Frau ganz vorne damals die Kursleiterin. „Was
soll man mit den Händen während der Drehung machen?“.
Ilaria und ich standen in der letzten Reihe, schauten uns
an und konnten nicht anders als loszuprusten . Später,
im Umkleideraum, nachdem wir uns gegenseitig als Italienerinnen zu erkennen
gegeben hatten, fühlten wir gleich, trotz des (geringen) Altersunterschieds, eine
starke Verbindung. Ilaria erinnerte mich an mich selbst, als ich jung und wild
war. Es war fast so, als würde mich mein altes Ich wieder besuchen kommen und
mir schadenfroh zuflüstern:
„Schau mal,
so warst du früher auch. Hast dich gescheit verändert, gell?“ (mein altes Ich sprach
aus anpassungstechnischen Gründen mit bayerischem Schlag).
Anstatt aber
Neid zu empfinden, fühlte ich jedoch sofort eine starke Sympathie für Ilaria,
die mich davor bewahrte schnell zu altern.
Heute Abend
war der Kurs-Saal zum Bersten voll. Wahrscheinlich lag es daran, dass der
Frühling endlich da war und alle Frauen Angst hatten, sich mit ihren angefutterten
Speckröllchen ineinem viel zu engen Bikini dem
gnadenlosen Schlafzimmer-Spiegel zu stellen. Vor diesem unausweichlichen, demütigenden
Augenblick wollten alle zumindest ein paar Gramm verlieren. Simona und ich kannten
diese Angst nur allzu gut. Ilaria, mit ihren zarten siebenundzwanzig Jahren und
ihrem noch nicht durch Schwangerschaften und Abmagerungskuren ruinierten
Körper, hatte keine Ahnung, wovon wir sprachen. Wahrscheinlich dachte sie,
Cellulitis wäre eine chronische Erkrankung der oberen Atemwege und Problemzonen
wären im Ostblock zu finden.
Obwohl wir
eher in der untersten Zumba-Liga spielten, waren wir alle drei mit Original-Zumba-Kleidung
ausgestattet. Erstens lag es daran, dass wir Italienerinnen waren: Haben Sie
schon mal eine schlecht angezogene Italienerin gesehen? Okay, theoretisch ist
es möglich, aber es handelt sich bestimmt um Ausnahmen! Und zweitens hat
Zumba-Kleidung, wenn geschickt ausgesucht, den Vorteil, dass sie zuverlässig kaschiert.
Außerdem: Wenn man sich schon bis auf die Knochen blamiert, weil man die
Schritt-Reihenfolge nach zwei Jahren immer noch nicht kennt, dann will man
zumindest dabei gut aussehen.
Simona und
ich hatten den Zumba-Mutti-Look gewählt, der aus folgenden Komponenten besteht:
Extra breite, schwarze Cargo-Pants, einen hinten gekreuzten Top in Größe XXL in
knallgelb und blau und einen sichtbaren BH mit extra verstärkten Körbchen für
ausgeleierte Mutti-Busen. Ilaria trug die Version für junge, knackige Frauen:
eine pinkfarbene, leggingsähnliche Caprihose und ein bauchfreies, enges Top.
Von einem BH keine Spur, wozu auch?
Weitere Kostenlose Bücher