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Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Titel: Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dori Mellina
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unternehmen wollte, hatte sich auf die weiße Wand ergossen und sich
dort mit einem hübschen Fleck, der so aussah wie ein Aquarell von Beuys,
verewigt.
    Fehler
machte er also auch, nur, dass ich nicht ständig auf seinen herumritt wie er
auf meinen und es daher so aussah, als wäre er perfekt und ich die ultimative
Schussel.
    „Schau zum
Beispiel hier!“, fuhr er mit seinen Anschuldigungen fort, während ich
gleichzeitig versuchte, mich anzuziehen und Sara die langen Haare zu kämmen.
    „Was macht
ein leerer Obstkorb auf dem Wohnzimmertisch?“, fragte er entrüstet und hob den
Korb hoch, bevor ich ihn daran hindern konnte. Zum Vorschein kam Ilas
Kunstwerk, das ich bislang, in Ermangelung vernünftiger Alternativen, darunter versteckt
hatte.
    Martin
starrte es an.
    „Das hat
aber nicht Sara gemalt, oder?“, fragte er jetzt und schaute mich dabei misstrauischan.
Klar, wollte ich ihm antworten, ich zeige meiner vierjährigen Tochter jeden Tag
eine neue Position des Kamasutras, damit sie sie nachmalen kann. So macht man
es nun mal in Italien mit seinen Kindern, mit sexueller Aufklärung kann man nie
früh genug beginnen! Das sagte ich allerdings dann doch nicht, denn das hätte
er mir glatt abgenommen. Als Sara vor einigen Jahren anfing, feste Nahrung zu
sich zu nehmen, fand ich es vollkommen normal, ihr zum Frühstück Milch und
Kekse zu geben. Jedes italienische Kind knabbert am Morgen ein paar Kekse zu
seiner Milch (wenn es überhaupt etwas isst). Als ich einmal nach dem Duschen ins
Wohnzimmer kam, fand ich Sara in Tränen aufgelöst und Martin mit ihrem Keks in
der Hand.
    „Sie wollte
gerade EINEN KEKS essen!“, empörte sich damals mein Mann und hielt das
Beweisstück in die Höhe.
    „Na, und?“,
hatte ich erwidert. „Sie darf ihn essen, ich habe ihn ihr gegeben!“.
    „Kekse zum
Frühstück??“.
    „Ja, klar,
soll ich ihr vielleicht ein Salamibrot schmieren?“, hatte ich ironisch gefragt.
    „Zum Beispiel!“,
hatte Martin geantwortet und mich mit offenem Mund stehen lassen.
    Es war ein
klassischer Fall von Kultur-Inkompatibilität. Leider hatten wir in den letzten
Jahren solche Situationen häufig erlebt. Das, was für mich normal war, fand
Martin abartig und umgekehrt natürlich auch. Seit Sara auf der Welt warund
wir nun ein gemeinsames Kind zu versorgen und zu erziehen hatten, war die Reibungsfläche
automatisch größer geworden war.
    Manchmal
fragte ich mich, wo der Spaß zwischen uns geblieben war. Früher konnten wir
stundenlang miteinander lachen und es wurde, vielleicht auch gerade aufgrund
unserer Unterschiede, nie langweilig. Trotz seines (gespielten)
Perfektionswahns, war er im Grunde ein lockerer und optimistischer Mensch und er
konnte mir Komplimente machen, bei denen es mir eiskalt dem Rücken hinunter rieselte.
    Okay, der
einfühlsamste Mensch auf Erde war er noch nie gewesen, dafür war er viel zu
sehr mit sich selbst beschäftigt, aber er hatte durchaus seine Reize, sonst
hätte ich mich nie so heftig in ihn verlieben können.

 

Capitolo quattro -- Martin (Martin)

 
    Als ich Martin
kennenlernte, war ich ziemlich schlecht gelaunt. Besser gesagt: Hätte ich an
dem Tag ein Bazooka oder zumindest ein Maschinengewehr zur Hand gehabt, wäre das
Problem der Überbevölkerung binnen Minuten gelöst gewesen. Weil ich solche heftigen
Gefühle in ziemlicher Regelmäßigkeit erlebe und weil ich mir meiner Impulsivität
im Allgemeinen durchaus bewusst bin, habe   ich in weiser Voraussicht nie einen Waffenschein gemacht. In jenen Momenten
quält mich meist die Frage, ob meine Gefühle und deren Schwankungen normal sind.
An manchen Tagen kann ich vor Freude in die Luft springen, jeden küssen, der
meinen Weg kreuzt und mit einem wohlwollenden Augenzwinkern über grobe Verfehlungen
meiner Mitmenschen hinwegsehen. An anderen Tagen wiederum reicht es, dass
jemand mir die Vorfahrt nimmt, damit ich ausrastet und den armen Autofahrer an
der nächsten roten Ampel wüst beschimpfe (häufig stellt sich dann zu meiner
größten Beschämung heraus, dass ich mich geirrt und der andere wirklich
Vorfahrt gehabt hat. In solchen Fällen helfen elektrische Fensterheber und Kopf
einziehen). Meine deutschen Freundinnen sagen immer, das läge an meinem
italienischen Temperament. Meine italienischen Freundinnen sagen so etwas
natürlich nie. Diese Meinungsdiskrepanz ist einfach nur logisch und liegt in
der Natur der Sache, aber ich möchte sie trotzdem gerne an einem Beispiel
verdeutlichen: Stellen Sie sich

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