Fragmente des Wahns
umarmen. Sie erwiderte die Umarmung. Es würde ein großartiger Geburtstag werden, da war sich Lisa sicher.
„Puh … langsam reicht es aber …“, schimpfte Alex außer Atem vor sich hin und stellte dabei den medizinballgroßen, braunen Karton vor sich ab. Immer mehr dieser Umzugskartons stapelten sich im Flur ihres neuen, gemeinsamen Hauses.
„Nicht schimpfen, arbeiten“, trieb Andreas seinen Bruder an und setzte einen weiteren Karton ab, auf dem in schwarzen Großbuchstaben KÜCHE stand.
„Du hast gut reden, du bist schließlich noch jung“, entgegnete Alex. „Komm du erst mal in mein Alter.“
„So alt will ich gar nicht werden.“
Im selben Augenblick kamen Will und Julia mit leeren Händen durch die offenstehende Haustür.
„Gibt es schon was zum Auspacken? Der Umzugswagen ist jetzt leer“, stellte Will fest.
Julia war eine Arbeitskollegin und Freundin von Lisa, sechsundzwanzig Jahre alt und sah gar nicht mal so schlecht aus. Sie hatte vielleicht zwei, drei Kilos zu viel, dafür aber an den richtigen Stellen. Alex hatte sich schon öfters dabei erwischt, dass er mehr auf ihre üppige Oberweite gestarrt hatte, als ihr in die blauen Augen zu schauen. Natürlich war das auch Lisa nicht entgangen und wie so oft musste er sich seitdem damit aufziehen lassen. Aber so war sie nun mal und genau das liebte er auch so an ihr.
Lisa und Julia kannten sich seit fast zwei Jahren und hatten sich in der Arbeit kennengelernt. Alex kam es oft so vor, als würden sie sich schon seit Ewigkeiten kennen. Daher war es nicht verwunderlich, dass Julia sich sofort bereit erklärt hatte, zusammen mit ihrem Freund Will beim Umzug zu helfen.
Will hieß eigentlich William, aber da er seinen Namen hasste, nannte ihn jeder einfach nur Will. Er war siebenundzwanzig und seit gut einem Jahr mit Julia zusammen. Wills Charakter war nicht gerade einfach, aber man konnte ihm nie wirklich böse sein und im Großen und Ganzen war er ein guter Freund. Er liebte Julia aufrichtig, das wussten alle, auch wenn Will es nicht oft zeigte.
Optisch passten die beiden richtig gut zusammen. Will war breitschultrig, gut gebaut, aber nicht übertrieben und einen guten Kopf größer als Julia. Er hatte kurze, blonde Haare; ihre waren schulterlang und meist zu einem Zopf gebunden. Man hätte sie fast für Geschwister halten können.
„Hey, meint ihr etwa, die ganze Arbeit macht sich von allein?!“, schimpfte Ralfie in die Gruppe, obwohl er selbst keinen Handstrich tat.
„Da redet der Richtige“, erwiderte Will. „Wo war den der gnädige Herr Hausbesitzer, als wir den Lieferwagen ausräumten? Na? Na?“
Ralfie grinste nur.
Keiner konnte sich so recht erklären, wie es eigentlich dazu gekommen war, dass Ralfie nun einer ihrer besten Freunde war. Es hatte sich wie von selbst entwickelt. Alex und Lisa hatten das Haus gemietet und irgendwie gehörte Ralfie einfach dazu.
Das Trio hatte sich am Tag nach der Hausbesichtigung zum Abendessen verabredet und sie wollten dabei den Papierkram erledigen. Das hatten sie dann auch getan … und noch mehr.
Sie hatten sich auf Anhieb sehr gut verstanden. Ralfie kam vor allem mit Lisas neckischer Art gut zurecht und Alex hatte mal wieder einen Freund, mit dem er über alles reden konnte, ohne sich dabei lächerlich vorzukommen. Sie hatten sich über den Umzug unterhalten und ohne zu zögern hatte sich Ralfie als Hilfe angeboten. Wie hatte er so schön gesagt?
„Hab doch sowieso nichts Besseres zu tun.“
Genau so war Ralfie. Er nahm sich selbst nicht wichtig und dieser Charakterzug machte ihn so sympathisch.
Zwischenzeitlich hatten sie sich noch zweimal getroffen, einmal waren auch Will und Julia dabei. Nur Andreas und Ralfie kannten sich noch nicht.
„Ich war da, wo ich sein wollte. Okay?“, gab Ralfie als Antwort.
„Ja, ja. Hauptsache nicht arbeiten. So sind die Hausbesitzer heutzutage“, gab Will zurück.
„Lasst es gut sein, Jungs“, versuchte nun Julia das kleine Streitgespräch zwischen den beiden zu schlichten. „Ihr seid beide stark und einschüchternd, okay?“
Sie liebte es, Männer auf ihre animalischen Triebe zu reduzieren und damit in Verlegenheit zu bringen oder zumindest aus dem Konzept. Das konnte Julia nämlich besonders gut.
Bei Will und Ralfie funktionierte der Seitenhieb jedenfalls prächtig und somit kehrte für einen kurzen Augenblick wieder Ruhe ein. Zumindest so lange, bis Lisa zusammen mit Andreas aus der Küche kam.
„Schnittchen sind fertig“,
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