Fragmente des Wahns
wirklich, Lisa?“ Sabine wirkte ernsthaft besorgt. Sie machte sich Sorgen um ihre gute Freundin. „Ich habe die Sache mit Alex mitbekommen. Ich kenne euch langsam ziemlich gut und gestern wart ihr nicht ihr selbst. Vor allem Alex nicht.“
„Du weißt doch … sein Autounfall … und so“, versuchte sich Lisa herauszureden.
„Aber das erklärt noch lange nicht den gestrigen Abend, Lisa. Alex war anders und dann dieser Zusammenbruch. Jeder hat es mitbekommen. Es wollte nur niemand etwas sagen.“
„Ihm war doch bloß schwindlig geworden. Alex und mir geht es gut. Das wird schon wieder.“
„Und was bitteschön soll besser werden, wenn doch gar nichts ist?“
Sabine hatte sie erwischt. Doch eigentlich wollte Lisa gar nicht mehr ausweichen. Sie wollte es endlich jemanden sagen.
„Es ist kompliziert.“
„Ich habe Zeit.“
Alex sah kurz durch die Glastür ins Innere seines Hauses und konnte Lisa nicht erkennen. Vermutlich lag sie auf dem Sofa, was sie gerne tat, wenn sie mal etwas Zeit für sich brauchte. Er hatte gespürt, dass seine Frau etwas bedrückte, deswegen war er allein mit Lilli im Garten verschwunden.
Sie versteckte sich gerade in ihrem neuen Spielhaus und wartete darauf, dass ihr Papa sie fand. Kaum hatte Alex bis zehn gezählt, hatte er sie schon kichern gehört. Doch er wollte sich Zeit lassen und suchte an den ungewöhnlichsten Stellen, was ihr gefiel.
Alex hatte hingegen Zeit, sich über einiges Gedanken zu machen, auch wenn er keine Lust dazu hatte. Aber er war es Lisa schuldig. Sie wirkte trotz ihrer Heiterkeit bekümmert und er wusste genau, dass es an ihm lag. Schließlich war es „sein Problem“, wie alle so schön sagten. Doch warum hatte er nicht das Gefühl, verrückt oder anders zu sein?
Natürlich wusste er, dass etwas nicht stimmte. Er konnte nicht einfach so tun, als wäre die Sache mit Lillis Geburtstagstorte nicht geschehen. Es war passiert und ja , es war unheimlich gewesen. Alex konnte sich selbst nicht erklären, warum sich die Torte plötzlich verändert hatte, aber war es denn so schlimm?
Und was war mit dem Geschenk?
Sein Gewissen meldete sich zu Wort und Alex wusste nicht, wie er darauf antworten sollte. Er wollte es auch gar nicht. Er wollte nur vergessen.
„Hab ich dich“, sagte er zu seiner Tochter und überraschte sie im Spielhaus.
Lilli musste herzhaft lachen, krabbelte hervor und umarmte ihren Papa.
„Nun Papa verstecken.“
Ja, genau darum geht es. Um Lilli. Meine Tochter.
Es ging nie um etwas anderes. Er war unwichtig. Es zählte allein Lilli und seine Frau.
„Ich weiß überhaupt nicht, wo ich anfangen soll“, sagte Lisa zu ihrer besten Freundin.
„Am besten da, wo es dich am meisten bedrückt“, versuchte Sabine sie zu ermutigen.
„Weißt du, es sind diese kleinen Streitigkeiten“, begann Lisa zu erzählen. „Ja, Sabine, ich weiß, was du mir sagen willst. Dass das ganz normal ist und sich jedes Paar einmal streitet, aber das ist es nicht. Natürlich haben wir uns schon einmal gestritten, nicht oft, aber dann heftig.
Doch jetzt ist es anders.
Seit wir zusammen sind, waren wir immer ehrlich zueinander und genau deshalb haben wir uns auch manchmal gestritten. Doch jetzt streiten wir uns, weil Alex nicht mehr ehrlich zu mir ist. Er geht mir aus dem Weg, vertröstet mich mit sinnlosen Worten und lässt mich allein mit meinen Sorgen.
Natürlich spüre ich, dass etwas nicht stimmt, aber er lässt mich auch nicht an sich ran. Ich möchte ihm so sehr helfen, Sabine, aber ich kann einfach nicht. Ich erkenne meinen eigenen Mann nicht wieder und das macht mir am meisten sorgen.“
„Und hast du genau das mal Alex gesagt“, wollte Sabine wissen, als ihre Freundin eine Pause machte.
„Ich habe es jetzt schon so oft versucht, aber ich schaffe es einfach nicht. Mensch, Sabine, ich weiß langsam nicht mehr, was ich noch machen soll. Ich liebe ihn doch.“
„Und das ist auch das Wichtigste, Lisa“, beruhigte Sabine sie. „Lass ihm etwas Zeit. So wie sich das für mich anhört, braucht Alex gerade Zeit für sich selbst. Er hatte noch nie einen schweren Autounfall. Diese Situation ist für euch beide neu und jeder geht damit anders um.
Glaub mir, solange ihr euch liebt, wird alles wieder gut werden.“
Sabines Worte taten gut und schenkten Lisa neue Hoffnung. Ihre Freundin hatte recht damit, dass jeder anders reagiere und sosehr sie ihrem Mann beistehen wollte, musste sie jetzt stark sein und Alex den nötigen Freiraum
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