Fragmente des Wahns
mit ein und erst jetzt begriff Alex, dass genau diese Kleinigkeiten seinen besten Freund ausmachten. Er wusste immer, was gerade das Beste für einen war. Wie ein kleines Medium, das sich in die Gefühlswelt einklinken konnte.
„Das nächste Mal wünsch ich mir aber was zu essen, wenn ich zurückkomme“, versuchte Alex einen Witz zu machen. Er kam nur nicht an.
Ralfie tat trotzdem so, als wäre er lustig gewesen.
Eine Schwester kam und brachte Alex erneut zu Doktor Fleischmann. Er saß wie immer in seinem Sessel und hatte die Finger überkreuzt.
Alex nahm wie gewohnt vor Doktor Fleischmann Platz und stellte die erste Frage: „Und? Haben Sie schon das Ergebnis?“
„Leider nein, so schnell geht es dann doch nicht“, antwortete Fleischmann. „Doch wie gesagt, können wir die Wartezeit gerne zum Reden nutzen. Was meinen Sie?“
„Gerne.“
„Nun, wo fangen wir an. Sie haben mir erzählt, dass Sie an Halluzinationen leiden. Wie genau wirken sich diese aus?“
„Schwer zu sagen“, fing Alex an, „ich meine, ich kann mich meistens kaum mehr an sie erinnern. Sie kommen ganz plötzlich und dann wirkt alles vollkommen falsch, verdreht und anders. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll. Das ist auch der Grund, warum ich bis jetzt mit niemandem darüber gesprochen habe.“
„Das sollten Sie aber, Herr Schneider. Reden hilft, das ist schließlich ein großer Teil meiner Arbeit.“
„Ja, das glaube ich Ihnen, doch komme ich mir dabei wie der letzte Vollidiot vor.“
„Kann ich mir vorstellen und trotzdem müssen wir jetzt darüber reden, um die Ursache für all das ausfindig zu machen. Sind Sie bereit dafür?“
„Keine Ahnung, aber ich möchte es versuchen.“
„Gut. Dann zum Anfang, Herr Schneider. Wo hat alles angefangen?“
„Während des Autounfalls, nehme ich an.“
„Sie nehmen an, dass der Autounfall der Auslöser des Ganzen ist, aber wann haben die Halluzinationen begonnen?
Was war die Erste?“
„Ich glaube an Lillis Geburtstag.“
„Was genau ist passiert?“
„Ich habe die Geburtstagstorte getragen. Sie war blau. Das Thema war die Unterwasserwelt. Dann überreichte ich sie meiner Tochter, und als sie dabei war, die Kerzen auszupusten, war es für mich, als hätte sich die Welt verändert.
Ich hielt eine andere Torte, sie war rosa und ich kannte sie nicht. Ich war verwirrt und wollte mich bei meiner Tochter entschuldigen, weil ich so abwesend war. Doch dann sah ich ein Mädchen, das ich weder beschreiben noch richtig sehen konnte.
Das Mädchen war mir vollkommen fremd und doch hatte ich das Gefühl, als würde ich sie schon ewig kennen. Dieses Mädchen hatte es geschafft, mein Herz zu berühren.“
„Gut. Wirklich gut.“
„Und was denken Sie?“
„Keine Ahnung, zumindest jetzt noch nicht. Wir sind gerade einmal am Anfang, Herr Schneider. Keine Eile, alles zu seiner Zeit.
Was ist dann passiert? Hatten Sie noch mehr dieser Halluzinationen?“
„Ja, hatte ich. Und zwar noch am selben Tag.
Lilli hatte ihre Geschenke ausgepackt. Alles war wie immer und ganz normal. Bis zu einem bestimmten Geschenk, das sich in meinen Erinnerungen verändert hatte.“
„Inwiefern verändert ?“
„Nun, ich hatte das Gefühl gehabt, als hätte Lilli eine Barbie Puppe ausgepackt, doch in Wirklichkeit war es Arielle, die Meerjungfrau. Alles war so real für mich gewesen, sogar das rosafarbene Geschenkpapier, das es gar nicht gab.“
„Kann es sein, dass sie ihre Tochter vielleicht gern anders hätten, als sie ist?“, wollte Fleischmann wissen.
„Ich verstehe Ihre Frage nicht.“
„Okay, dann fangen wir anders an. Erzählen Sie mir etwas über Ihre Tochter. Wie ist Lilli so?“
„Keine Ahnung. Ich finde, sie ist sehr agil, fast schon ein wenig hyperaktiv und dann doch wieder ganz ruhig und gelassen, vor allem wenn man ihr etwas vorliest oder erzählt. Sie ist kein typisches Mädchen, wie meine Frau immer sagt. Sie liebt die Farbe blau und zieht sich mehr wie ein Junge an. Dennoch achtet sie immer darauf, dass alles gut zusammenpasst.“
„Schön, ich denke, das reicht auch schon“, unterbrach Fleischmann. „Und nun sagen Sie mir, wie Sie Lilli in Ihren Halluzinationen erlebt haben?“
„Doktor Fleischmann, ich verstehe Sie noch immer nicht.“ Alex war sichtlich verwirrt und auch ein wenig genervt.
„Okay, dann werde ich Ihnen es erklären. Lilli ist mehr der jungenhafte Mädchentyp, so wie Sie mir Ihre Tochter beschrieben haben und wenn man die
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