Fragmente des Wahns
nichts entschuldigen. Okay?“
„Okay.“
Das Telefon klingelte und ein ungutes Gefühl machte sich in Alex’ Magen breit.
Was, wenn es Doktor Fleischmann ist. Was, wenn er keine guten Nachrichten hat? Was, wenn er wirklich …
„Geh schon ran“, ermutigte ihn Ralfie.
Alex gehorchte und drückte den grünen Knopf.
„Ja, Alex hier.“
„Hey, Schatz.“ Es war Lisa. Er hatte nicht einmal auf das Display gesehen. „Wie geht es dir?“
„Gut, denke ich.“ Er war etwas verwirrt.
„Ich weiß, du wolltest deine Ruhe, aber ich wollte dich anrufen und Andreas meinte auch, dass es eine gute Idee wäre.“
„Andreas ist bei dir?“
„Ja. Er wollte eigentlich nach dir sehen, aber als ich ihm sagte, du seiest erst mal zu Ralfie gezogen, wollte er, dass ich wenigstens mit dir rede und frage, was du so machst.“
„Nun, nein, ist schon okay, ich meine, ich bin froh, dass du anrufst.“
„Schön.“
„Wie geht es Lilli … und dir?“
„Lilli versteht es nicht, aber sie ist tapfer.“
„Es tut mir so leid, Lisa, wirklich, doch glaube mir, es ist besser so. Ich bin auf dem Weg der Besserung, das habe ich im Gefühl.“
„Was ist denn passiert?“ Sie klang neugierig.
„Ich war heute noch einmal bei Doktor Fleischmann. Er ist der behandelnde Psychologe im Barmherzigen . Er hat mich heute untersuchen lassen und meint, er würde eine Lösung für mein Problem finden. Mehr möchte ich dazu noch nicht sagen.“
„Okay, schon gut. Ich möchte dich zu nichts zwingen, Alex. Das weißt du doch, oder? Ich meine, Mensch Alex, ich liebe dich doch, und Lilli auch. Warum musste das alles passieren? Wie ist das nur geschehen?“
„Ich weiß es nicht, Lisa. Doch ich tu alles, damit es aufhört, dass es wieder wie früher wird. Ich schaffe das, bitte vertrau mir.“
„Das tu ich, Alex. Wirklich. Wir warten hier auf dich, wenn es soweit ist.“
„Schön. Ich werde bald nach Hause kommen.“
„Bis bald, Alex.“
„Bis bald. Ich liebe dich.“
„Ich dich auch.“
Lisa legte zuerst auf. Alex hätte es nicht gekonnt. Er hatte seit der Trennung nicht wirklich an sie gedacht, doch dieser Anruf hatte all seine Gefühle erneut aufgewirbelt. Er liebte die beiden so sehr und nun war er es, der sie immer und immer wieder verletzte. Alex hasste sich selbst dafür.
„Lisa?“, fragte Ralfie ruhig.
„Ja. Andreas ist bei ihr. Es geht ihnen gut.“
„Und dir?“
„Beschissen, Ralfie. Ich hasse es, so ein Vater und Ehemann zu sein.“
„Willst du zurück?“
„Nein, nicht solange ich nicht wieder ich selbst bin. Zuerst muss mich Doktor Fleischmann wieder hinbiegen, dann gehe ich zurück.“
„Gut. Solange du weißt, was du willst, stehe ich hinter dir. Wollen wir nach Hause?“
„Ja, Ralfie. Ich bin irgendwie müde.“
Es gibt Träume, da erlebt man Dinge, die schon lange vergangen sind. Man weiß, dass man träumt, doch man kann nichts unternehmen. Es ist mehr wie ein Film.
Genau so ein Traum war auch dieser.
Alex stieg aus seinem uralten weißen VW Golf, der mehr Rost besaß als Lack. Doch er fuhr noch einigermaßen zuverlässig und mehr brauchte ein Wagen in seinen Augen nicht zu können.
Er ging in Richtung Eingangstür, und während er die Klinke in die Hand nahm, wusste er bereits, was ihn hinter der Tür erwarten würde. Alex hatte diesen realistischen Traum nicht zum ersten Mal.
Es war ein wahr gewordener Alptraum.
Alex nahm zum ersten Mal das Klatschen und den Schrei wahr. Die Tür schwang ins Innere, viel zu langsam und was Alex vorfand, war die Hölle seines Herzens.
Andreas lag bereits am Boden. Er konnte sich kaum noch bewegen, geschweige denn wehren. Alex konnte sein Gesicht nicht sehen, da es in die andere Richtung gewandt war, doch er sah das leicht mit Blut bespritzte T-Shirt und die heruntergelassene Jeanshose. Sein blanker Hintern ragte in Vaters Richtung, der aufrecht auf ihn herabsah.
„Du musst ja immer wieder den Clown spielen, nicht wahr, Andreas?!“, brüllte ihr Vater ihn an. „Doch diese Flausen werde ich dir schon noch austreiben!“
Er holte noch einmal mit seinem Gürtel aus und schlug mit voller Wucht auf seinen kleinen Bruder ein. Blut spritzte. Ein tiefer Schmerzensschrei durchfuhr das Wohnzimmer. Alex konnte nur einen Blutstreifen ausmachen, der sich an der rechten Hüfte bildete. Er wirkte lang und tief.
„Vater, nicht!“ Diesmal war es Alex, der schrie.
„Für dich immer noch Papa!“
„Nein! Ganz sicher nicht! Du hast schon lange das
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