Fragmente des Wahns
zurück in die Arbeit gefahren. Ein Mann brach in euer Haus ein und … und brachte …“
„Sie wurden umgebracht ?!“
„Ja.“ Andreas senkte den Kopf. „Und du warst es, der sie tot aufgefunden hat.“
Das Schweigen schien ewig zu dauern.
Alex wusste nicht, wie er reagieren sollte. Was hatte er inzwischen alles erfahren?
Er hatte eine Frau und eine Tochter, an die er sich nicht mehr erinnern konnte und dann hatte er sie auch noch verloren, nein, sie wurden umgebracht und er war es, der sie gefunden hatte?
Ich meine … Scheiße … was soll der Mist?!
„Ich glaube, ich sollte jetzt wieder das Gespräch übernehmen“, sagte Niederseher ruhig und einfühlsam.
„Von mir aus“, sagte Alex teilnahmslos. „Was war dann?“
„So wie Sie es mir erzählt haben … einiges und doch nichts. Sie konnten mit den Bildern und Ereignissen nicht umgehen und standen kurz davor, sich vollkommen zu verschlingen. Sie wollten nicht mehr leben.“
„Und warum tue ich es dann noch?“
„Weil Ihr Bruder meinen Zeitungsbericht in die Hände bekommen hat. Dort wurde erklärt, was ich vorhabe und er war es auch, der Sie zu mir brachte.“
„Was genau ist dann passiert, Doktor Niederseher?“
„Lassen Sie mich ein wenig ausholen, Herr Schneider.
Ich habe mich schon immer für das menschliche Gehirn, seine Funktionsweise und die Gabe der Erinnerung interessiert. Dabei bin ich auf eine neue Art der Hypnose gestoßen, die mir ermöglichen sollte, schlimme Erinnerungen zu verdrängen.“
„Also haben Sie wirklich die Erinnerungen an meine Familie ausgelöscht?“
„Nein. Ganz so einfach ist es nicht. Man kann Erinnerungen nicht löschen, das ist unmöglich, aber man kann sie verdrängen, wodurch sie vom Gehirn einfach nicht mehr wahrgenommen werden.
Wir hatten fast ein Jahr lang wöchentlich zwei bis drei Hypnosesitzungen. Dabei habe ich Sie in einen Keller voller Türen geschickt. Und hinter jeder einzelnen Tür steckt eine durch mich verdrängte Erinnerung an diese schrecklichen Ereignisse.“
„Aber wie? Ich meine, Sie können doch nicht wirklich jede noch so kleine Erinnerung an meine erste Familie ausgelöscht haben. Das ist doch unmöglich.“
„Ja, das ist es auch“, gab Niederseher zu, „und das haben wir auch nicht gemacht. In diesem Jahr haben wir Schritt für Schritt die großen Ereignisse mit Sandra und Leonie hinter einer Tür verschlossen. Irgendwann reagierte Ihr Gehirn auf Erinnerungen an diese Familie mit einer Störung und verdrängte sie automatisch.
Verstehen Sie, Ihre Erinnerung beinhaltet zwar noch Sandra und Leonie, doch da Ihr Gehirn fast keine passenden Erinnerungen mehr über sie hat, ging es irgendwann davon aus, dass es sich um Fehlinformationen handeln müsse, und ignorierte sie automatisch. Die Behandlung war damit abgeschlossen.“
„Soll das heißen, dass ich immer noch Erinnerungen an meine erste Familie habe, mich aber bewusst nicht daran erinnern kann?“
„So in der Art, ja. Doch wir mussten sichergehen, dass Sie nicht mehr an diese Momente erinnert werden, weshalb nur ein Umzug infrage kam.“
„Ich bin umgezogen?“
„Ja, Alex“, mischte sich Andreas wieder ein. „Wir haben zuerst in Nürnberg gelebt. Nach der Therapie sind wir nach Regensburg gezogen. Ich bin die einzige Kontaktperson zu deinem früheren Leben.“
„Aber warum du? Müsstest nicht ausgerechnet du mich an meine alte Familie erinnern?“
„Nein. Auch wenn ich alles mitbekommen habe, so waren wir zu jener Zeit kaum mehr miteinander unterwegs. Nur an besonderen Tagen habe ich mal vorbeigeschaut, wie eben am Geburtstag deiner Tochter.“
„Okay.“
„Noch Fragen, Herr Schneider?“, wollte Niederseher wissen.
„Gute Frage, aber ich habe keine Antwort darauf.
Ich habe mit vielem gerechnet, doch damit ? Ich hatte eine Familie, ein Haus, einen anderen Wohnort, andere Freunde, und weiß gar nichts mehr darüber. Ich meine, wie soll ich so weiterleben? Vor allem, warum ausgerechnet jetzt ?“
„Ich kann nur Vermutungen anstellen, Herr Schneider, aber ich glaube, dass die zwei ausschlaggebenden Faktoren der Autounfall und der Geburtstag Ihrer Tochter waren.“
„Inwiefern? Was hat Lilli damit zu tun?“
„Nun, ich vermute, dass der Autounfall tatsächlich ein leichtes SHT zur Folge hatte, wodurch scheinbar das Gleichgewicht der verschlossenen Türen durcheinandergebracht wurde. Dann folgte der Geburtstag Ihrer Tochter Lilli. Ihr dritter Geburtstag.“
„Genau wie bei Leonie, nicht
Weitere Kostenlose Bücher