Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Rechenzentrum in Chicago heruntergeladen hatten. Ohne das Gerät wollte sie keinen Schritt mehr tun. Samm nahm sein Gewehr und mehrere Patronenmagazine mit. Plötzlich wurde auch Kira klar, dass sie nicht ohne Waffe aufbrechen sollte, und sie folgte seinem Beispiel. Dann schlichen sie in die Nacht hinaus. Der Himmel klarte auf, und im Sternenlicht wirkte die Stadt farblos und leer.
In Arvada gab es weniger Firmen als in den anderen Stadtvierteln, aber dadurch wirkte alles nur noch trostloser. Kira und Samm kamen nicht länger an bleichen Gebäuden vorbei, sondern schritten durch staubtrockene Parks und Wohnstraßen mit verfallenen Häusern und verkümmerten Bäumen. Samm wirkte eher nervös als zielstrebig, doch seine Stimmung änderte sich, als sie einen breiten Süßwassersee erreichten – er war tatsächlich sauber und obendrein frei von den Giften und Chemikalien, die sie seit einem Monat in allen Gewässern vorgefunden hatten. Von den Bergen wehte ein sanfter Wind. Zum ersten Mal seit Wochen roch Kira reine Luft: grüne Blätter, saftige Früchte und … Ja, dachte sie. Es duftet fast nach frisch gebackenem Brot.
Was ist hier los?
Das Land hinter dem See war grün – sie konnten es zwar nicht sehen, doch sie rochen es, und sie spürten das weiche Gras unter den Füßen. Irgendwie gab es am Fuß der Berge wider Erwarten eine Fläche mit gesundem Gras. Die Grenze war der Zaun, der zugleich die Rocky Flats Preserve einfriedete. Kira runzelte die Stirn und trat vorsichtig näher. Der Zaun war alt und rostig, doch das Land dahinter schien fruchtbar und blühend. Eine Oase des Lebens, die mitten in der Einöde überlebt hatte. Der Turm erhob sich wie eine klaffende schwarze Wunde vor dem Himmel. Zwischen den Bäumen flackerte Licht. Kira hob sichernd das Gewehr.
Samm nickte nach rechts. So leise wie möglich folgten sie dem Zaun und huschten über die Wiese und zwischen den Büschen hindurch, die rings um das geheimnisvolle Gebiet wuchsen. Bald erreichten sie ein breites offenes Tor, in dessen Nähe sich anscheinend niemand aufhielt. Beinahe zehn Minuten lang beobachteten sie den Eingang aus dem Schatten. Dann waren sie sicher, dass dort tatsächlich keine Bewacher standen. Das hohe Gras unter dem Tor bestätigte Kiras Vermutung, dass es schon seit Jahren nicht mehr geschlossen worden war.
»Ob hier jemand lebt?«, flüsterte Kira.
»Ich …« Samm wusste keine Antwort. »Ich habe keine Ahnung.«
»Gibt es hier einen Vorposten?«, überlegte sie. »Einen … Stützpunkt der Partials oder …«
»Wüsste ich es, würde ich es sagen.«
»Aber wer sonst könnte hier sein?«
Sie starrten auf das offene Tor und fanden nicht den Mut, einfach einzutreten.
»Wir haben Heron noch nicht getroffen«, überlegte Samm. »Sie könnte schon drinnen sein, sich verstecken und auf uns warten.«
»Das werden wir gleich herausfinden.« Kira hielt das Gewehr bereit und schlich weiter. Sie wollte nicht länger warten, nachdem sie dem Ziel so nahe waren. Selbst wenn es hier von Partials wimmeln sollte. Nach kurzer Überlegung schien Samm ihr zuzustimmen und folgte ihr.
Jenseits des Tors betraten sie ein bizarres Paradies. Kira staunte über die wuchernden Pflanzen ringsum, und dann entdeckten sie abermals das Licht. Dort brannte etwas, es waren aber nicht die schwelenden Katastrophen in der Stadt, sondern bewachte kleine Feuer, genau wie Heron es beschrieben hatte. Lagerfeuer oder Freudenfeuer. Die beiden schlichen weiter durch die Dunkelheit, und bald nahmen sie auch Geräusche wahr.
Stimmen. Fröhliche, lachende, singende Stimmen und dazwischen Laute, mit denen Kira nie mehr im Leben gerechnet hatte. Sie vergaß jegliche Vorsicht und rannte los, und als sie sie erkannte, sank sie auf die Knie. Die Gefühle überwältigten sie, sie konnte sich keinen Schritt mehr bewegen.
Kinder.
Inmitten der Lichtung knackte und knisterte das Lagerfeuer, ringsum standen niedrige Gebäude, Menschen tanzten, und in ihrer Mitte waren Kinder. Säuglinge, ältere Kinder, Jugendliche, Dutzende Kinder aller Altersstufen und Größen lachten, johlten und klatschten in die Hände, während im Feuerschein eine kleine Band mit Flöten und Geigen musizierte. Kira sank ins Gras und weinte, schluchzte und heulte, wollte sprechen und bekam kein Wort heraus. Samm kniete neben ihr nieder, und sie klammerte sich an ihn, hielt ihn fest und deutete auf die Kinder. Samm versuchte sie wegzuziehen, doch sie wollte sich ihnen nähern, sie berühren und
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