Fragmente: Partials 2 (German Edition)
hochheben. Inzwischen hatten die Menschen, Kinder wie Erwachsene, die Neuankömmlinge bemerkt. Die Musik und der Gesang brachen ab, einige sprangen überrascht auf. Noch einmal versuchte Samm, Kira auf die Füße zu ziehen. Endlich konnte sie sich an die Fremden wenden und bekam einige Worte über die Lippen.
»Ihr habt ja Kinder.«
Die Menschen standen im Halbkreis vor ihr, sie waren mit Speeren, Bogen und gelegentlich sogar mit Handfeuerwaffen ausgerüstet. Eine junge Frau in Kiras Alter trat vor und legte mit geübten Bewegungen das Jagdgewehr an, um auf Kira zu zielen.
»Lasst die Waffen fallen!«
VIERTER TEIL
38
»Wer seid ihr?«, fragte Samm.
Das Mädchen mit dem Gewehr zielte unbeirrt auf Kiras Oberkörper. »Ich sagte, lasst die Waffen fallen!«
Samm warf sein Gewehr auf den Boden. Kira war zu geschockt, um sich zu rühren. Unverwandt starrte sie die Kinder an, bis Samm ihr das Gewehr abnahm und ebenfalls ins Gras warf. »Wir tun euch nichts«, beteuerte er. »Wir wollen nur wissen, wer ihr seid.«
Das Mädchen ließ das Jagdgewehr ein wenig sinken, visierte Kira nicht mehr über den Lauf hinweg an, zielte aber weiterhin auf sie. Sie hatte ihr langes blondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, die grobe Lederweste schien handgemacht zu sein. »Ihr zuerst«, verlangte sie. »Woher seid ihr? Seit zwölf Jahren ist niemand mehr über die Berge gekommen.«
Kira schüttelte den Kopf, endlich hatte sie ihre Stimme wiedergefunden. »Wir sind nicht über die Berge gekommen, sondern durch das Ödland. Wir kommen aus New York.«
Das blonde Mädchen runzelte die Stirn, und die Umstehenden murmelten ungläubig vor sich hin. Eine ältere Frau, die ein Kleinkind auf den Armen hielt, trat vor. Kira starrte den kleinen Jungen an, als wäre er ein Wunder in Menschengestalt: drei Jahre alt, rundlich und mit rosigen Wangen, das Gesicht mit Erde und klebrigem Brei verschmiert. Unschuldig starrte er Kira an und musterte ihr Gesicht, als wäre sie ein gewohnter Anblick. Dann fing er ihren Blick auf und lächelte. Kira konnte nicht anders und erwiderte das Lächeln.
»Nun?«, hakte die Frau nach. »Willst du nicht antworten?«
»Was?«, fragte Kira.
»Ich sagte, ihr könnt nicht aus dem Ödland kommen«, erklärte die Frau. »Weil es außer dem Ödland nichts mehr gibt.«
Samm legte Kira eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube, du hast es nicht gehört, weil du das Kind angesehen hast.«
»Entschuldigung.« Kira richtete sich auf. Die Menschen wichen ein wenig zurück, hielten aber die Waffen bereit. Samm stellte sich neben sie, und sie nahm seine Hand, um sich zu stützen. »Es ist nur … es sieht so aus, als hätten wir uns gegenseitig eine Menge zu erklären. Lasst uns beginnen!« Sie wandte sich an das blonde Mädchen. »Das Einfachste zuerst … seid ihr Menschen oder Partials?«
Die ältere Frau kniff die Augen zusammen. Der Zorn, der darin flackerte, war nicht zu übersehen. Kira erkannte sofort, dass sie eine Menschenfrau war. Am besten tun wir so, als gehörten wir zu ihnen, dachte Kira.
»Ich bin Kira Walker, mein Begleiter heißt Samm. Ich bin Sanitäterin und habe auf Long Island an der Ostküste gelebt. Bis vor fünf Minuten dachten wir noch, dort habe sich die letzte menschliche Gemeinschaft auf der Welt befunden. Euren Reaktionen entnehme ich, dass ihr das Gleiche über eure Siedlung gedacht habt. Wir konnten nicht ahnen, dass es hier draußen noch weitere Überlebende gibt, aber … da seid ihr nun. Und hier sind wir.« Sie streckte die Hand aus und hoffte, dass jemand einschlug. »Schöne Grüße von …« Beinahe hätte sie gesagt: … von einem anderen menschlichen Wesen. Das Verlustgefühl, das sich auf einmal in ihrem Innern ausbreitete, verschlug ihr jedoch die Sprache. Sie bekam die Worte nicht über die Lippen, schluckte und wählte eine andere Formulierung. »… von einer anderen menschlichen Gemeinschaft.«
Kira ließ eine Hand ausgestreckt und wischte sich mit der anderen über die Augen. Die bewaffneten Siedler starrten sie schweigend an. Nach einer kleinen Pause nickte das Mädchen in Richtung Osten. »Seid ihr wirklich durch das Ödland gekommen?«
»Ja«, bestätigte Kira.
»Ihr müsst am Verhungern sein.« Endlich ließ sie das Gewehr sinken und reichte der Besucherin eine Hand, die sich ebenso grob und schwielig anfühlte wie Kiras eigene Hand. »Ich heiße Calix. Kommt mit zum Feuer und esst etwas!«
Samm hob die Gewehre auf und folgte Calix und Kira zum Feuer. Einige
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