Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Kinder.« Plötzlich fielen ihr Marcus’ Fragen zu den Experimenten wieder ein. Das ist es! Genau das bin ich. Es ist völlig einleuchtend.
Vale beobachtete sie genau und wich einen weiteren Schritt zurück. Kira blickte über seine Schulter hinweg. Zog er sich vor einer Gefahr zurück, oder näherte er sich einem Alarmknopf? Wie viel Zeit bleibt mir noch? Die Luft in dem Raum war zum Schneiden dick. Schweiß lief ihr über den Rücken.
»Ist Ihnen klar, welchen Schaden die Sicherung der Partials im Reservat, in East Meadow und auf der ganzen Welt anrichten könnte, wenn sie in diesem Augenblick unkontrolliert ausgelöst würde?«
»Bitte, überlegen Sie, was Sie tun …« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, erkannte Kira, dass ihr Flehen einem Geständnis gleichkam. Vale fuhr herum und verschwand hinter einem Tisch. Kira wartete nicht einmal ab, was er dort suchte. Sie warf sich herum, rannte los und floh aus dem Raum. Hinter ihr knallte ein Schuss, nur wenige Zentimeter von ihrem Kopf entfernt flogen Funken aus dem Türrahmen. Geduckt rannte sie um die Ecke und stürmte zum Ende des Flurs.
Hinter ihr ertönten weitere Schüsse, doch sie war schneller als er und für den ungeübten Schützen schon viel zu weit entfernt. An jeder Ecke stolperte sie, weil sie kaum abbremste, um die Richtung zu wechseln, und eilte zum Aufzugschacht zurück, durch den sie heruntergekommen war. Erst als sie ihn erreichte, erinnerte sie sich, dass sie den Griff des Computers in Vales Büro vergessen hatte. »Keine Zeit«, murmelte sie, sprang auf die Leiter und zog sich hinauf. »Das Teil kann ich später immer noch holen.« Je nachdem, welche Genveränderungen Vale an sich selbst vorgenommen hatte, war sie möglicherweise dennoch fähig, ihn zu überwältigen. Inzwischen hatte er aber sicher Alarm geschlagen und um Hilfe gerufen. Gegen das gesamte Reservat konnte sie natürlich nichts ausrichten. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, Samm ins Freie zu schleppen, bevor draußen jemand erfuhr, was geschehen war.
Wie weit musste sie ihn tragen, bis der Einfluss des Beruhigungsmittels nachließ? Und wie lange würde es dauern, bis sein Kreislauf die Reste der Droge abgebaut hätte?
Endlich erreichte sie den ersten Stock und stieg durch die halb geöffnete Aufzugtür hinaus. Samm lag an der Stelle, an der sie ihn zurückgelassen hatte. Sie schulterte seinen Rucksack zusätzlich zu ihrem eigenen und zog ihn hoch. Schlaff und schwer hing er in ihren Armen – achtzig Kilo Muskeln, die im Augenblick nur ein nutzloses Gewicht darstellten. Zunächst legte sie sich seinen Arm über die Schultern, dann hob sie ihn hoch und grunzte vor Anstrengung. Dabei lauschte sie, ob sich irgendwelche Verfolger näherten. Hinter ihr war es still, und auch von draußen hörte sie nichts. Dann schleppte sie sich zur Treppe und hievte Samm hinter sich her. Im Erdgeschoss musste sie sich an eine Wand lehnen und ausruhen. Dabei beobachtete sie die verwilderte Lichtung vor dem Turm. In der Nähe unterhielten sich zwei Männer. Sie hatten offenbar im Schatten eines behelfsmäßigen Wohnblocks eine Pause eingelegt und wirkten nicht sonderlich aufgeregt. Kira packte Samm und schleifte ihn durch die Lobby zur anderen Seite des Gebäudes. Auf der Ostseite, wo niemand zu sehen war, schlich sie nach draußen. Der Boden war uneben, Wurzeln und die Höhlen von Erdhörnchen bildeten Stolperfallen. Mit Samm im Schlepptau kam sie nur langsam voran.
Wenn ich nur wüsste, wo die Pferde sind!, dachte sie, aber ihr blieb keine Zeit, nach ihnen zu suchen. Wenn sie die Sicherung der Partials in sich trug, dann konnte sie Vales Partials und damit auch dem Reservat den Tod bringen – letzten Endes sogar allen Menschen und Partials. Kira war eine lebende Bombe, und sie zu zerstören, bevor sie losging, war Vale möglicherweise wichtiger als jedes andere Ziel. Er würde sein Geheimnis, seine Autorität, buchstäblich alles aufs Spiel setzen, um die Menschheit zu beschützen. Also blieb ihr nur die Wahl zwischen Flucht und Tod.
Als sie den Rand der Lichtung erreichte, kam ein Mann um die Ecke des nächsten Gebäudes. Er hielt überrascht inne. Sie biss die Zähne zusammen, weil Samms Gewicht sie fast zu Boden zwang, und drängte sich an ihm vorbei. »Hallo!«, sagte er. »Geht es ihm nicht gut?«
»Er ist ohnmächtig«, erklärte Kira. »Er braucht nur etwas frische Luft.« Wir müssen zum Tor, dachte sie. Wenn wir das Tor erreicht haben, wird alles gut.
»Ihr seid doch die
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