Fragmente: Partials 2 (German Edition)
recht, was das alles zu bedeuten hatte. »Nandita ist schon vor Monaten spurlos verschwunden«, erklärte er. »Dies hier ist ihr Haus, aber … sie war ständig draußen auf Bergungseinsätzen unterwegs und hat Kräuter für ihren Garten gesammelt. Von ihrem letzten Ausflug ist sie nicht zurückgekehrt.« Noch einmal betrachtete er das Foto, dann wieder das Mädchen. »Gehörst du zu Mkele? Nein, vergiss die Frage! Wer bist du? Woher weißt du, wer ich bin?«
»Wir sind uns schon einmal begegnet, aber du erinnerst dich nicht«, erwiderte sie. »Wenn ich es nicht will, bekommt man mich auch nicht zu sehen.«
»Das dämmert mir auch gerade«, meinte Marcus. »Außerdem habe ich allmählich den Eindruck, dass du nicht zur Polizei von East Meadow gehörst. Warum suchst du Nandita?«
Das Mädchen lächelte etwas verschlagen und boshaft. »Weil sie vermisst wird.«
»Darauf wäre ich nie gekommen.« Auf einmal wurde Marcus bewusst, wie attraktiv das Mädchen war. »Dann formuliere ich es anders. Warum musst du sie finden?«
Das Mädchen schaltete noch einmal die Taschenlampe ein. Zuerst blendete sie Marcus, dann richtete sie den Strahl auf das Foto in seiner Hand. Er sah es noch einmal an.
»Schau genau hin!«, forderte sie ihn auf. »Erkennst du sie?«
»Das ist Nandita Merchant«, antwortete Marcus. »Ich habe doch schon …«
»Nicht sie«, unterbrach ihn das Mädchen. »Das Kind neben ihr.«
Wieder sah sich Marcus das Bild an und hielt es sich dicht vor die Augen, um das kleine Mädchen in der Mitte genau zu betrachten. Die Haut schien hellbraun zu sein, die Zöpfe waren schwarz wie Kohle, die Augen hell und neugierig. Sie trug ein helles buntes Kleid, wie Kinder es eben an einem Sommertag im Park trugen. Solche Kleider hatte er seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen. Die Kleine machte einen glücklichen und unschuldigen Eindruck. Ihr Gesicht wirkte ein wenig verkniffen, weil sie im Sonnenlicht mit einem Auge blinzelte.
Dieses Blinzeln kam ihm irgendwie bekannt vor …
Marcus riss den Mund auf und hätte vor Schreck beinahe das Foto fallen gelassen. »Das ist Kira.« Verwirrter denn je sah er die geheimnisvolle Besucherin an. »Das ist ein Foto von Kira vor dem Zusammenbruch.« Noch einmal musterte er ihr Gesicht. Sie war noch sehr jung, in dem runden Gesicht zeichnete sich ein wenig Babyspeck ab, aber die Züge waren unverkennbar. Kiras Nase, ihre Augen, das Blinzeln in der Sonne. Er schüttelte den Kopf. »Warum ist sie mit Nandita zu sehen? Die beiden haben sich doch angeblich erst nach dem Zusammenbruch kennengelernt.«
»Genau«, bestätigte das Mädchen. »Nandita wusste davon und hat es nie jemandem verraten.«
Das ist aber eine seltsame Art, es auszudrücken, dachte Marcus. Sie hat nicht gesagt: Nandita kannte Kira schon vorher. Sondern: Nandita wusste davon. »Was genau wusste sie?«
Das Mädchen schaltete die Taschenlampe aus und schob sie in die Hosentasche. Dann nahm sie Marcus das Foto ab. »Weißt du, wo sie ist?«
»Kira oder Nandita?« Hilflos zuckte er mit den Achseln. »Egal, denn in beiden Fällen lautet die Antwort Nein. Kira wollte …« Kira suchte die Partials, aber das hatte er bisher niemandem verraten. In diesem Fall spielte es aber wohl keine große Rolle. »Du bist eine Partial, nicht wahr?«
»Wenn du mit Kira sprichst, dann sag ihr, dass Heron sie grüßen lässt.«
Marcus nickte. »Du hast sie entführt und zu Doktor Morgan gebracht.«
Heron antwortete nicht, sondern verstaute das Foto und sah sich zu den Schatten hinter ihr um. »Sehr bald kommt es auf dieser Insel zu interessanten Ereignissen«, sagte sie. »Weißt du etwas über das Verfallsdatum, das Samm erwähnte?«
»Kennst du auch Samm?«
»Kira Walker und Nandita Merchant spielen bei dem Problem des Verfallsdatums eine entscheidende Rolle, und Doktor Morgan will sie finden.«
Verwirrt runzelte Marcus die Stirn. »Was haben sie denn damit zu tun?«
»Lass dich nicht von den Einzelheiten ablenken!«, erwiderte Heron. »Es spielt keine Rolle, warum Doktor Morgan sie finden will. Wichtig ist nur, dass Morgan sie finden wird , zumal sie überall über Spione verfügt. Die Partials kennen nur zwei Wege, etwas zu erledigen: meinen Weg und den Weg aller anderen.«
»Ich bin kein großer Anhänger deines Wegs.« Marcus beäugte das Gewehr. »Will ich überhaupt wissen, wie der Weg der anderen aussieht?«
»Du kennst ihn schon. Das war der Partialkrieg«, erwiderte Heron.
»Ich glaube, dein Weg gefällt mir doch
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