Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Vielleicht. Es war eine wilde Vermutung, aber immer noch besser als alles, was ihr sonst einfiel. Sicherlich besser, als Elektronikläden zu bewachen und vergeblich zu hoffen, dass der Plünderer zufällig auftauchte, während sie auf der Lauer lag.
Sie würde mit dem Viertel beginnen, das sie damals erkundet hatten. Vielleicht war er weitergezogen. Nach dem heftigen Feuergefecht nur wenige Blocks entfernt wäre das durchaus verständlich gewesen. In dem Fall wollte sie nach Hinweisen suchen, wohin er sich begeben hatte. In dieser Stadt war jemand unterwegs, und sie war entschlossen, ihn zu finden.
Es war schwieriger als gedacht, die Quelle der Rauchwolke zu bestimmen. Natürlich war der Rauch verschwunden, und sie musste sich auf ihre Erinnerung verlassen. Die Stadt war jedoch ein riesiger Irrgarten, und sie war auf Anhaltspunkte angewiesen, die ihrem Gedächtnis auf die Sprünge halfen. Zunächst musste sie den ganzen Weg bis in den Süden zu der Brücke zurückgehen, auf der sie herübergekommen waren. Dann galt es, das richtige Gebäude zu finden und aus dem richtigen Fenster zu blicken. Von dort aus kam ihr die Landschaft endlich bekannt vor – sie konnte eine lange Baumreihe und die drei Wohnblocks erkennen und nachvollziehen, wie es vor so vielen Monaten zum Angriff der Partials gekommen war. Dort war sie zum ersten Mal Samm begegnet. Nein, eigentlich waren sie sich nicht begegnet, sondern sie hatte ihn bewusstlos geschlagen und gefangen genommen. Seltsam, wie sich seitdem die Umstände verändert hatten. Wenn Samm jetzt bei ihr wäre … nun ja, dann wäre vieles erheblich einfacher.
Während sie daran dachte, wusste sie doch, dass dies keineswegs alles war. Als sie aus dem Fenster auf die grüne Stadt hinabblickte, fragte sie sich wohl zum hundertsten Mal, ob ihre Verbundenheit mit Samm auf dem Link der Partials beruhte oder ob sie etwas Tieferes bedeutete. Konnte sie das wohl noch irgendwie herausfinden? Aber war es überhaupt wichtig? Verbundenheit war gleichbedeutend mit menschlicher Nähe, und die hatte sie in letzter Zeit nicht allzu intensiv erlebt.
Dies war allerdings nicht der richtige Augenblick, um über Samm nachzudenken. Kira betrachtete die Stadtlandschaft und versuchte, die genaue Stelle zu finden, von der der Rauch aufgestiegen war, und ihren Weg in die entsprechende Richtung nachzuzeichnen. Sie zückte sogar ihren Notizblock und zeichnete eine Karte. Da sie aber nicht wusste, wie viele Straßen es gab und wie sie hießen, konnte sie kaum einschätzen, wie nützlich die Karte überhaupt war. Die Gebäude waren so hoch und die Straßen so schmal, dass ihr die Stadt wie ein Labyrinth vorkam, ein Irrgarten aus Schluchten, die von Ziegelsteinen und Metall begrenzt wurden. Beim letzten Mal hatten ihnen Späher den Weg gewiesen. Nun befürchtete Kira, sie könnte sich verlaufen und nichts mehr wiederfinden.
Sie vollendete die Karte nach bestem Bemühen, notierte Fixpunkte, die ihr bei der Orientierung helfen konnten, und stieg die lange Treppe hinunter, um sich auf den Weg durch die Stadt zu machen. Die Straßen waren uneben, vollgeparkt mit verlassenen Fahrzeugen und überwuchert von dürren Bäumen, deren Blätter im leichten Wind rauschten. Sie kam am Schauplatz eines Unfalls vorbei. Ein Dutzend oder mehr Autos waren zusammengeprallt, als die Fahrer verzweifelt versucht hatten, aus der verseuchten Stadt zu fliehen. Leider konnte sie sich nicht erinnern, schon einmal an dieser Unfallstelle vorbeigekommen zu sein. Sie wurde nervös und fürchtete schon, sie sei falsch abgebogen, doch dann spähte sie um eine Ecke und entdeckte einen Orientierungspunkt, von dem aus sie zuversichtlicher ausschreiten konnte. Der einfachste Weg führte in der Straßenmitte entlang, weil hier weniger Trümmer lagen als am Rand und auf den Gehwegen. Doch dort war sie auch deutlich sichtbar, und Kira war zu vorsichtig, um sich eine solche Blöße zu geben. Daher hielt sie sich meist dicht an den Mauern und Zäunen und umrundete vorsichtig die lockeren Schutthaufen, wo Trümmer von den turmhohen Gebäuden herabgefallen waren. Auf diese Weise kam sie zwar langsamer voran, fühlte sich aber sicherer. Zumindest redete sie sich das ein.
Die Einschusslöcher, die Kira hier und dort in Autos oder Briefkästen bemerkte, bestätigten ihr, dass sie auf dem richtigen Weg war. Hier waren sie vor einem Heckenschützen davongelaufen. Jayden hatte eine Kugel in den Arm abbekommen. Der Gedanke an Jayden ernüchterte sie.
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