Fragmente: Partials 2 (German Edition)
öfter zu machen als unbedingt nötig.«
Nach einer Weile – ihr kam es vor, als wären Stunden vergangen – brach sie im sechsundachtzigsten Stockwerk keuchend zusammen. Sie musste eine Pause einlegen und Wasser trinken, bevor sie die angeblich hier eingerichtete Aussichtsplattform überprüfte. Die Plattform bot tatsächlich einen großartigen Ausblick, doch die ehemals verglasten Wände waren größtenteils geborsten. Im ganzen Stockwerk war es zugig und kalt. Sie schlurfte zur Treppe zurück und landete schließlich im hundertzweiten Stock am Fuß eines riesigen Masts, der sich noch einmal siebzig oder hundert Meter hoch erhob. Eine Tafel an der Tür beglückwünschte sie dazu, dass sie eintausendachthundertsechzig Treppenstufen überwunden hatte. Sie nickte, als sie Atem schöpfte. »Welch ein Glück«, schnaufte sie. »Da entwickle ich die strammsten Beinmuskeln des ganzen Planeten, und niemand ist da, der sie bewundert.«
Das sechsundachtzigste Stockwerk war weit und quadratisch, und rings um das Gebäude verlief ein schmaler Balkon. Das hundertzweite Stockwerk dagegen war klein und rund und erinnerte an einen Leuchtturm. Die rundherum angebrachten Scheiben boten den einzigen Schutz, der die Besucher vom Sturz auf die Straße abhielt. Sie waren größtenteils intakt, doch Kira konnte dem Drang nicht widerstehen, sich aus einem geborstenen Fenster zu lehnen und den atemberaubenden Kitzel der unglaublichen Höhe zu verspüren. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass die Bewohner der alten Welt aus dem Flugzeug einen solchen Anblick gehabt hatten, so hoch über der Welt, dass alles dort unten fern und klein wirkte. Noch wichtiger war der erstaunliche Ausblick, den sie auf die Stadt hatte. Es gab nur wenige Gebäude, die höher waren als dieses, und von dort aus wäre der Blick nicht besser gewesen als von ihrem Standort aus. Kira ließ ihren Rucksack fallen und holte das Fernglas hervor. Sie begann mit der Südseite und suchte den Horizont nach Funkantennen ab. Es gab weit mehr, als sie vermutet hätte. Kopfschüttelnd fragte sie sich, wie sie zwischen den tausend Gebäuden auf der Insel das einzig richtige finden sollte. Sie schloss die Augen.
»Du hast keine Chance«, sagte sie sich leise. »Nutze sie!« Sie zog den Notizblock aus dem Rucksack, wählte die nächste Antenne im Süden aus und schrieb ihre Beobachtungen nieder.
8
Die in nördlicher Richtung am weitesten entfernte Antenne befand sich nach Kiras Schätzung bereits außerhalb von Manhattan in einer Gegend, die man die Bronx nannte. Sie hoffte, dass sie nicht so weit laufen musste, denn die Nähe der Partials machte sie immer noch nervös. Aber sie nahm sich vor, das Wagnis notfalls einzugehen. Die Antworten, die sie dort zu finden hoffte, wogen jedes Risiko auf.
Die nächstgelegene Antenne war der riesige Mast auf der Spitze ihres eigenen Gebäudes, in dem sich außer ihr jedoch niemand befand. Nun ja, sie glaubte jedenfalls, dass sie allein war und keiner die Antenne benutzte, aber es war schrecklich groß. »Vielleicht leide ich ein bisschen unter Verfolgungswahn«, sagte sie sich und kletterte schließlich hinauf, um die Antenne zu überprüfen. Dann hielt sie inne und verbesserte sich. »Vielleicht leide ich auch extrem unter Verfolgungswahn. Ein bisschen ist vermutlich sogar recht gesund.« Wie sich herausstellte, führte die Antenne keinen Strom. Kira war selbst überrascht, wie erleichtert sie auf diese Erkenntnis reagierte. Anschließend beobachtete sie wieder die Stadt, notierte jede neue Antenne, die sie entdeckte, und sah zu, wie in der untergehenden Sonne nacheinander immer neue Sonnenkollektoren aufleuchteten und langsam blinkten, wenn das schwächer werdende Licht im richtigen Winkel auftraf, um eine Weile später in der Dunkelheit zu verschwinden. In der Nacht stieg sie einige Stockwerke hinunter und kroch in einem gut geschützten Raum in ihren warmen Schlafsack. In dieser Höhe waren die Gebäude bemerkenswert sauber – keine vom Wind hereingewehte Erde, keine sprießenden Pflanzen, keine Pfotenabdrücke im Staub. Es erinnerte sie an ihr Zuhause, an die Gebäude, auf deren Sauberkeit sie und die anderen so viel Mühe verwendet hatten: ihr Haus, die Klinik, die Schule. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie ihre Heimat jemals wiedersehen würde.
Am vierten Tag ging ihr das Wasser aus, und sie musste den langen Abstieg zur Straße auf sich nehmen, um Nachschub zu beschaffen. Ein Park am Ende eines weitläufigen
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