Fragmente: Partials 2 (German Edition)
einzuholen, aber bring die Zivilisten sofort weg! Wir verschaffen dir so viel Zeit wie nur irgend möglich.«
»Nach Süden fliehen reicht nicht«, widersprach Marcus. »Dies ist kein Überfall, sondern eine Invasion. Selbst wenn wir es bis East Meadow schaffen, sind sie uns dicht auf den Fersen.«
»Willst du lieber hierbleiben?«, fragte Haru. »Ich weiß nicht, ob sie uns einfangen oder töten wollen, aber keine von beiden Möglichkeiten klingt angenehm.«
»Schon gut«, lenkte Marcus ein. »Schon gut.« Er sah sich zum Farmhaus um und nahm seinen ganzen Mut zusammen, bevor er endlich losrannte. Haru richtete sich schon wieder auf, wandte sich um und deckte den Wald mit Kugeln ein.
»Das hat man davon, wenn man sich freiwillig meldet.« Marcus rannte zur Farm hinüber.
11
Afa schlief im sechsten Stock des Gebäudes in einem Doppelbett. Der Raum hatte anscheinend früher als Garderobe gedient. Kira packte ihn ein wie ein Kind, bevor sie sich ein eigenes Zimmer suchte. Nach einer Weile stieß sie auf ein riesiges dunkles Studio mit Schalensitzen auf einer Seite und einem halben Wohnzimmer auf der anderen. Anscheinend war es die Kulisse für eine Talkshow. Das Logo auf der Rückwand weckte allerdings keine Erinnerungen. Sie wusste, was Talkshows waren, weil irgendjemand in ihrem Haus – vermutlich ihr Kindermädchen – solche Sendungen gesehen hatte, doch die Logos konnte sie natürlich nicht erkennen. Afa hatte auf den Stühlen gewissenhaft beschriftete Kartons gestapelt, dabei jedoch das Sofa frei gelassen, das für die Talkshow benutzt worden war. Kira untersuchte es auf Spinnen, bevor sie ihr Bettzeug ausbreitete und sich schlafen legte. Sie träumte von Marcus und von Samm und fragte sich, ob sie die beiden jemals wiedersehen würde.
Da Afa sorgfältig alle Fenster verhängt hatte, drang keinerlei natürliches Licht in das Gebäude ein, und im Studio war es stockfinster. Kira lebte jedoch lange genug in der Wildnis und erwachte pünktlich zur gewohnten Zeit. Sie tastete sich zu einem Fenster, spähte hinaus und sah den gleichen vertrauten Anblick wie jeden Morgen: zerstörte Gebäude, auf denen Ranken wucherten, einen blauen Schein, als der dunkle Himmel kurz vor Sonnenaufgang heller wurde.
Da Afa anscheinend noch nicht wach war, ergriff Kira die Gelegenheit, einige seiner Akten durchzusehen. Sie begann mit den Kisten im Studio, die mit den Ziffern 138 bis 427 beschriftet waren. Auf jedem Stuhl stand ein Karton, weitere waren ringsum an den Wänden aufgestapelt. Die Schachtel, vor der sie gerade stand, trug die Nummer 221. Kira zog das erste Blatt heraus. Es war ein zusammengefalteter Ausdruck mit einem militärischen Briefkopf.
»Wer auch immer hiervon betroffen sein mag«, las sie halblaut. »Ich bin Master Sergeant Corey Church und nahm mit der Siebzehnten Panzerdivision an der zweiten Nihon-Invasion teil.« Die erste Nihon-Invasion hatte mit einer der ersten großen Niederlagen der NADI -Kräfte im Isolationskrieg geendet. Es war der vergebliche Versuch der Welt gewesen, dem plötzlich feindselig gewordenen China Japan zu entreißen. Dies hatte sie in East Meadow in der Schule gelernt, die meisten Einzelheiten hatte sie allerdings vergessen. Die zweite Nihon-Invasion war erfolgreich verlaufen. Dabei hatten sie zweihunderttausend Partialsoldaten aufgeboten und die Isolationisten bis aufs Festland zurückgetrieben. So hatte der lange Feldzug begonnen, der den Krieg schließlich beenden sollte. Dies war der Grund, warum man die restlichen Partials überhaupt geschaffen hatte. Kira las den Brief, bei dem es sich um einen Bericht über eine Schlacht handelte, bis zum Ende durch. Der Mann hatte seine Erfahrungen im Kampf an der Seite der Partials festgehalten und bezeichnete sie als neue Waffen . Sie seien gut ausgebildet und präzise . Kira war in dem Glauben aufgewachsen, die Partials seien Buhmänner – Ungeheuer eben, die die Welt zerstört hatten. Selbst nach der Begegnung mit Samm und nach der Einsicht, dass sie selbst so etwas wie eine Partial war, empfand sie es als seltsam, dass jemand sie so positiv schilderte. Zugleich war die Beschreibung aber so nüchtern, als handelte es sich um einen neuen Jeep aus dem Nachschublager. Der Master Sergeant erwähnte auch, dass die Partials sich absonderten und die menschlichen Soldaten nicht zur Kenntnis nahmen. Aber das war kaum negativ zu nennen – im Rückblick und vor dem Hintergrund der späteren Rebellion wirkte diese Aussage ein wenig
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