Fragmente: Partials 2 (German Edition)
erfüllte das Rauschen den Raum, Dutzende verschiedene Signale überlagerten einander in Kiras Ohren. Afa hatte sich völlig in sich selbst zurückgezogen. Die Unterhaltung oder die durch die Unterhaltung ausgelösten Gedanken hatten ihn verschreckt, und er konnte nichts Vernünftiges mehr beisteuern. Sie hatte ihn ins Proviantlager geführt und ihm einen Fruchtcocktail gegeben. Vielleicht beruhigte er sich mit der Zeit wieder. Dann hatte sie ihn allein gelassen und eine Weile seine Aufzeichnungen durchsucht, um vielleicht doch noch etwas Brauchbares zu finden. Ohne Afas Anleitung fand sie sich in dem Ablagesystem jedoch nicht zurecht. Auf ihrem Erkundungsgang hatte sie irgendwann das statische Rauschen wahrgenommen und den Funkraum entdeckt. Hilflos hatte sie dem Flüstern der körperlosen Stimmen gelauscht. Auf dem Pult glühten Lämpchen wie schwache grüne Sterne zwischen den Knöpfen, Anzeigen und Schaltern. Sie wagte nichts zu berühren.
Sie hörte zu.
»… B -Kompanie. Nicht … erst wenn sie …«
»… Befehle von Trimble. Nicht für …«
»… überall! Sag ihm, es ist mir egal …«
Die letzte Meldung kam von einem Menschen. Kira hatte gelernt, den Funkverkehr der Partials von dem der Menschen zu unterscheiden. Besonders schwierig war das eigentlich nicht. Die Partials waren professioneller, förmlicher und kühler, wenn sie miteinander redeten. Es lag nicht daran, dass sie keine Emotionen besaßen, sondern sie waren nicht daran gewöhnt, ihre Gefühle in Worten auszudrücken. Der Link übertrug ihre Gefühle mittels chemischer Botenstoffe, und im Funk waren sie sehr diszipliniert und brauchten keine Gefühle zu zeigen. Selbst inmitten eines Gefechts verhielten sie sich ausgesprochen pragmatisch. Und es gab viele Gefechte.
Die Partials hatten mit der Invasion von Long Island begonnen.
Die menschlichen Funksprüche klangen verzweifelt und verängstigt, manchmal wurden sie unterbrochen, und die kleinen Bruchstücke blieben unverständlich und zusammenhanglos. Die Menschen auf Long Island waren angespannt und fürchteten sich, doch anfangs konnte Kira den Grund dafür nicht feststellen. Bald jedoch hörte sie Schüsse im Hintergrund, das vertraute Knacken und Knallen, als zwischen den Sprechern die Kugeln hin und her flogen. War es etwa wieder die Stimme ? War ein neuer Bürgerkrieg ausgebrochen? Je länger sie lauschte, desto klarer stellte sich heraus, dass die Partials die Aufregung verursachten. Nach und nach tauchten in den Meldungen Positionsangaben auf, die ihr bekannt waren. Orte auf Long Island, die sie schon aufgesucht hatte. Die Reihenfolge der Erwähnungen zeigte, dass die Partials unerbittlich vom Nordufer nach East Meadow vorrückten.
Und Kira konnte lediglich zuhören.
Sie überlegte, wie sie Afa in die Gegenwart zurückholen konnte. Inzwischen verstand sie seine gelegentlichen Rückzüge aus der Realität. Seit dem Zusammenbruch war er zwölf Jahre lang völlig allein gewesen, und die Vorstellung, immer noch allein zu sein, beruhigte ihn vielleicht sogar. Über die Ironie der Situation musste sie schließlich fast lachen: Dieser Mensch verfügte über das Wissen, nach dem sie so verzweifelt suchte, aber er war so verloren und verrückt, dass er nicht darüber reden konnte. Ringsum schwollen die Stimmen an und ebbten wieder ab.
»… mehr Platz, zurück zu den …«
»… haben letzte Nacht auf der Farm nicht gezählt …«
»… Verstärkung. Holt mir Satos …«
Kira horchte auf. Der Name schreckte sie aus ihrer Tatenlosigkeit auf. Sato? Ob damit Haru gemeint war? Als sie aus East Meadow aufgebrochen war, hatte er Arbeitsdienst leisten müssen, nachdem er wegen Mitwirkung bei Samms Entführung unehrenhaft entlassen worden war. Hatte man ihn wieder eingesetzt? Oder handelte es sich um einen anderen Sato? Bitte!, dachte sie. Hoffentlich ist Madison und der kleinen Arwen nichts passiert. Wenn ihnen etwas zustößt … sie wollte nicht weiter darüber nachdenken.
Unterdessen betrachtete sie das Steuerpult. Eigentlich bestand es gar nicht aus einem einzigen Stück, sondern war ein buntes Durcheinander geborgener Funkgeräte, die mit Drähten, Kabeln und Klebeband zusammengefügt worden waren. Darunter verbarg sich ein alter Sender, aber Afa hatte anscheinend das meiste aus Einzelteilen zusammengebaut. Es war zu dunkel, um alles genau zu erkennen. Kira versuchte es mit der Taschenlampe, dann gab sie enttäuscht auf und trat an die Fenster. Afa hatte sie mit Pappe und
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