Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk: Deutsche Helden privat (German Edition)
haben höflich applaudiert. Sein Redebeitrag hat eingeschlagen wie eine Bombe, selbst in Brüssel waren die Erschütterungen noch zu spüren. In der Fraktion herrschte dagegen eisiges Schweigen, heimlich arbeiteten einige Genossen längst eine Gegenposition aus, in der das Primat des Miteinander im Füreinander kritisch hinterfragt und damit das ganze Gebäude der sozialen Umverteilung für alle ad absurdum geführt wurde.
Blöde Arschmaden, verdammte, da müssen noch einige Köpfe rollen bis zum Parteitag. Wenn wenigstens der erweiterte Vorstand seinem Antrag auf Aussetzung der Forderung nach Entfristung der Verlängerung zugestimmt hätte. Aber nein, diese verblödeten Partei-Elsen haben ja keine Ahnung, was draußen im Lande überhaupt vor sich geht. Überhaupt: «Frau» – wenn er das schon hört, wird ihm regelrecht schlecht. Noch so ein Papier aus der Richtung, und er wird sich schwer überlegen, ob an der Landesliste nicht ein bisschen gefeilt werden muss. Schließlich ist noch nicht geklärt, ob die Migranten auf das Konto der Frauen oder das der Männer angerechnet werden. Ein Superschlauer hat in der Kommission neulich gesagt, es käme eben drauf an, welchen Geschlechts die Migranten wären. Oh Gott, wie naiv diese Trottel sind, es ist regelrecht zum Kotzen.
Manchmal will er einfach nur keine Menschen mehr sehen, schön zu Hause sitzen und in Ruhe an einem Papier feilen, ab und zu die «Bild» anrufen, ein Thema besetzen und fertig. Aber dafür ist jetzt keine Zeit. Sein Fahrer hat den Motor abgestellt, Sigmar Gabriel ist aufgewacht. Seitdem er Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist, kann er nur noch bei laufendem Motor in seinem Dienstwagen schlafen. Er braucht wenigstens im Schlaf das Gefühl, dass sich irgendetwas bewegt in seinem Leben.
Kurz erklärt: Positionspapier
Das Positionspapier ist weniger ein Auszug aus dem Kamasutra denn eine langweilige Schleimabsonderung aus dem Koma nostra des Politzirkus. Will man in einer Partei reüssieren, dann muss man zu allererst «Themen besetzen» und dazu «Positionen beziehen». Das alles macht man mit einem «Papier». Wer am häufigsten «Papiere» raushaut, mit dem muss sich der Rest der Partei die ganze Zeit rumschlagen, und er oder sie bleibt im Gespräch für «Positionen» in der Regierung, der Fraktion oder der Parteispitze. Somit dient das «Positionspapier» letztlich als Hakle Feucht für den Arsch, in den man just hineingekrochen ist, um sich für eine «Aufgabe» in Stellung zu bringen. Alles ziemlich ekelig.
34. HOLGER APFEL
Doch mit den Clowns kamen die Tränen
Auf Kabel eins läuft «Unsere kleine Farm». Eigentlich müsste Holger jetzt seine Rede für die Kundgebung morgen in Gera schreiben. Bis jetzt steht noch nicht so viel auf dem Zettel: «Liebe Kameraden und Kameradinnen …» Weiter ist er noch nicht gekommen. Kein schlechter Einstieg, aber insgesamt fließt es heute nicht so richtig. Irgendwas mit «Ausländern» und «in Heimatländer zurückführen» ist nie verkehrt, andererseits nicht besonders kreativ.
Auf Gera hat Holger ohnehin keinen Bock. Gerade im Osten erwarten die Kameraden, dass man sich so wahnsinnig männlich gibt. Er versucht bei solchen Gelegenheiten meistens, etwas tiefer zu sprechen als sonst, und davon kriegt er dann oft schlimme Kopfschmerzen. Außerdem hat Holger das Gefühl, dass sich speziell die Ossis heimlich über ihn lustig machen. Über sein Lispeln zum Beispiel. So ein besoffener Skin in Halle hat ihm mal auf die Schulter gehauen und ins Ohr gebrüllt: «Kamerad Apfel, ich höre bei dir doch einen ganz leichten SS-Fehler!» Bruhaha, da lacht der Plattenbaubewohner! Holger versucht ja schon, möglichst wenig Worte mit «S» in seine Reden einzubauen, aber an bestimmten S-Worten kommst du in seinem Job einfach nicht vorbei. An Worten wie «Muselmänner» zum Beispiel oder «Asylant».
Jedenfalls kann man die Rede sprachlich gar nicht einfach genug halten, wenn man vor den Kameraden in Gera spricht beziehungsweise brüllt. Möglichst wenige Nebensätze – damit die Zielgruppe folgen kann. «Am besten funktionieren im Grunde Geräusche», denkt Holger. Seine Augen wandern schon wieder zum Fernseher. Holger liebt «Unsere kleine Farm». Die Folge, die gerade läuft, hat er schon zigmal gesehen. Es ist die legendäre Episode, in der Mary, die große Schwester von Laura Ingalls Wilder, endgültig erblindet. Wie unfassbar tapfer die junge Frau das erträgt! Mary und ihr Mann
Weitere Kostenlose Bücher