Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk: Deutsche Helden privat (German Edition)
«Lady, ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber meiner persönlichen Meinung nach scheint Ihnen die Sonne aus dem Arsch! Ich meine, hallo – Sie sind Anfang dreißig und schon Ministerin. Obendrein zuständig für ein Amt, in dem man sich ja nun wirklich nicht kaputtmacht. Wie hat Ihr Namensvetter Kanzler Bierchen Schröder immer gesagt? ‹Ministerium für Frauen und Gedöns›. Ihnen geht’s doch prächtig!»
Wahrscheinlich ging ich damit zu weit. Die Augen der Kleinen wurden bambimäßig groß und feucht. Ich hatte kurz vergessen, dass sie ja im Grunde noch ein Kind ist. Also ruderte ich flugs zurück.
«Nichts für ungut, Darling. Wie kommen Sie denn darauf, dass jemand Sie fertigmachen will? Hm?»
«Wie ich darauf komme?», fragte S. leicht schnippisch zurück. «Lesen Sie eigentlich ab und zu mal Zeitung? Alles, was ich in meinem Job anfasse, wird zu Scheiße! ALLES! Jede Idee, die ich habe, wird zerredet und miesgemacht!»
Kristinas neues Büro, links und rechts Stühle für die Mutti und den Paps.
Sie streckte mir eine Ausgabe der «Bild»-Zeitung mit der Schlagzeile «Nichts ist öder als die Politik von Schröder!» entgegen. «Und so was muss ich alle paar Tage über mich lesen!», presste S. bitter hervor.
«Tja, Honey, ich weiß nicht, ob das jetzt ein Schock für Sie ist, aber bei der ‹Bild› arbeiten tatsächlich ein paar böse Menschen. Das darf man nicht persönlich nehmen», versuchte ich das hysterische Persönchen mit einer gesunden Portion Sarkasmus zu beruhigen.
Doch S. ließ sich nicht abbringen von ihrer Verschwörungstheorie. «Im Bundestag hört praktisch keiner mehr zu, wenn ich am Rednerpult stehe. Manche lachen mich offen aus!»
«Ja, und? Da muss man doch drüberstehen, wenn so ein paar stalinistische Knalltüten von der Linksfraktion vor sich hin kichern.»
«Meine EIGENEN Leute lachen mich aus!»
«Okay, zugegeben, das ist kein gutes Zeichen», räumte ich ein.
S. glaubte ganz fest daran, dass irgendjemand hinter den Kulissen ihre Karriere und ihre Ideen torpedierte. Als Beispiel nannte sie mir die sogenannte «Flexi-Quote», eine Art Gegenmodell zur klassischen Frauenquote und ein Konzept, auf das sie ganz besonders stolz war. Begeistert erklärte mir die Kleine, dass sich bei ihrer «Flexi-Quote» die Unternehmen selber auf einen bestimmten Anteil von Frauen in Führungspositionen festlegen.
«Wie jetzt?», fragte ich ungläubig zurück. «Die Unternehmen dürfen SELBER bestimmen, wie viel Prozent ihrer Vorstandsposten sie in ein paar Jahren vielleicht mit Frauen besetzen?»
S. nickte begeistert.
Ich konnte es nicht fassen. «Ja, aber … warum um Himmels willen sollten sich die Unternehmen FREIWILLIG mehr Frauen in die Vorstände holen? Die sind doch nicht blöd! Nehmen Sie es mir nicht übel, Lady, aber Ihre ‹Flexi-Quote› hat einen ganz entscheidenden Nachteil: Sie ist scheißi!»
Großer Fehler meinerseits. Ich hätte ahnen müssen, dass so viel Offenheit zu Tränen führen würde. Zwischen den Schluchzern verstand ich nur noch so was wie «funktioniert wohl, menno», «immer alle gegen mich» und «bald echt keinen Bock mehr». Um das heulende Häufchen Elend aus meinem Büro zu kriegen, versprach ich ihr schließlich, den Fall zu übernehmen.
In den folgenden Tagen versuchte ich zunächst, mir ein möglichst komplettes Bild von S. zu machen. Ich recherchierte in ihrer Vergangenheit. Was ich dabei herausfand, war gelinde gesagt schockierend. Ich weiß, es klingt total absurd und krank, aber S. hatte als Teenager ein Poster von Helmut Kohl in ihrem Zimmer! Direkt über dem Bett. Welche Verheerungen das in der Seele eines jungen Menschen angerichtet haben mochte, darüber wollte ich gar nicht erst nachdenken. Gab es damals etwa tatsächlich einen Birne-Starschnitt in der «Bravo»? Und wenn ja, wie viele Ausgaben musste man kaufen, um auch nur einen Oberschenkel komplett zu haben? Schlimme Bilder machten sich in meinem Kopf breit und ließen sich nur mit gigantischen Mengen Alkohol bekämpfen.
Aber es kam noch dicker. Ein hessischer Informant, dessen Identität ich ebenfalls schützen muss (es war Roland Koch), verriet mir, dass S. schon mit vierzehn in die Junge Union eingetreten war. Mit vierzehn! Ich erinnerte mich sofort an die Worte meines Vaters, der immer gesagt hatte: «Junge, du kannst von mir aus dein Taschengeld als Crack-Stricher hinterm Bahnhof aufbessern, aber du gehst mir NICHT in die Junge Union.» Goldene Worte, die ich bis heute im
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