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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Alle?
    Cheftus Miene war ausdruckslos wie ein Grabgemälde. Und ebenso schön.
    »Du bist ein Sklave, man könnte dir also leicht befehlen, mit N’tan zu gehen«, fuhr Dadua fort. »Doch stattdessen sage ich dir, dass du eingeladen bist, mit ihm zu gehen. Die Reise wird mehrere Monate dauern, doch zur Traubenernte, zur Ankunft des Gnadenthrones, werdet ihr wieder hier sein.«
    Daduas Worte drangen mir nur langsam ins Bewusstsein: Cheftu würde weggehen? Für wie viele Monate? Würde ich mitgehen? Würden wir wieder getrennt? Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen. Das durfte doch nicht wahr sein, nicht nachdem wir so viel auf uns genommen hatten, um zusammen zu sein. Nicht nachdem wir uns sogar in die Sklaverei begeben hatten, um zusammen zu sein. Bitte nicht.
    Cheftu senkte den Kopf. »Ha-adoni ehrt mich, doch ich bin es inzwischen zufrieden, auf den Feldern zu arbeiten und zu meinem Weib heimzukehren.«
    Daduas schwarze Augen glitzerten; nur daran ließ sich erkennen, dass er verärgert war. Vermutlich bekam er nicht allzu oft ein Lo zu hören. Er antwortete knapp, wobei die weißen Zähne in seinem rötlichen Bart aufflammten: »Geh nach Midi-an und kehre zurück. Bei deiner Rückkehr bist du ein freier Mann.«
    Cheftu erstarrte; wäre er ein Hund gewesen, hätte er die Ohren aufgestellt und mit dem Schwanz gewedelt.
    Ein freier Mann. Seine Kinder wären keine Sklaven. Er hätte einen festen Stand in der Gemeinschaft. Er würde selbst über sein Leben bestimmen können. Ich kannte Cheftu, ich wusste, dass dies der süßeste Knochen überhaupt für ihn war, der königliche Verführungshappen. Cheftu würde seine Freiheit zurückbekommen; dazu brauchte er nur etwas zu tun, wonach er ohnehin heimlich gelechzt hatte, seit er davon erfahren hatte. Er würde zum Berg Gottes reisen.
    »Nur wenn mein Weib ebenfalls freigelassen wird«, sagte er.
    Dadua sah kurz auf mich und dann wieder weg. »Geh und kehr als freier Mann zurück. Ein Jahr darauf, am Jahrestag deiner Abreise, wird sie ebenfalls frei sein.«
    »Nach spätestens sechs Monaten.«
    »Bis zum Fest des Ungesäuerten Brotes im nächsten Jahr.«
    Cheftu überschlug den Zeitraum und sah mich dann an. »Was sagst du dazu?«, fragte er mich auf Englisch.
    Die Antwort brach mir fast das Herz, doch ich wusste, dass ich ihm keine andere geben durfte. Vor allem nach unserer Unterhaltung vom Vorabend. »Wie du willst. Ich möchte, dass du glücklich bist, dass du frei bist.«
    »Ich werde versuchen, ihn auf sechs Monate herunterzu-handeln.«
    »Wieso willst du das überhaupt auf dich nehmen?«, fragte ich in dem Versuch, vernünftig zu klingen.
    »Weil noch keiner von uns ein Portal gefunden hat. In Ägypten habe ich siebzehn Jahre verbracht. Wenn wir frei wären, könnten wir genauso gut hier leben. Unsere Kinder unter dem Einen Gott großziehen, sicher und glücklich sein.« Er sah zu unseren Zuhörern hinüber. »Vertrau mir, Chloe. So können wir uns ein Leben zurechtzimmern.«
    »Tu, was du für richtig hältst«, sagte ich, auch wenn ich diese Worte nur mit äußerster Anstrengung über die Lippen brachte. »Ich liebe dich.«
    »Ach, aber vertraust du mir auch?«
    »Das versteht sich von selbst.«
    Sein Blick blieb noch kurz auf meinem Gesicht liegen, dann wandte er sich an Dadua.
    »Dein Wille geschehe«, sagte er. »Ich werde gehen.«
    Sie boten Cheftu einen Stuhl an und schickten mich fort.
    Er geht weg, dachte ich in einem monotonen Singsang, der sich bei jedem Schritt durch die Gänge zurück zu den Frauengemächern wiederholte. Er geht weg. Er geht weg. Ich trat in den Hauptraum im Frauenflügel und dachte: Er geht weg.
    Shana warf nur einen einzigen Blick auf mich und schloss mich in die Arme. Einen Moment lang waren wir nicht Sklavin und Besitzerin, sondern einfach zwei Frauen. »Sie denken sich so dumme Dinge aus«, erkannte sie, während ich schluchzend und unter Tränen erklärte, was Dadua uns angeboten und dass Cheftu angenommen hatte. »Immer streben sie nach Ruhm für sich oder für ihre Götter oder ihren König.« Sie tätschelte mir die Schulter. »Dabei wollen wir eigentlich nur, dass sie bei uns zu Hause bleiben, mit uns lachen und mit unseren Kindern spielen. Arme Isha«, sagte sie. »Jetzt weißt du, was es heißt, eine Frau aus unserem Stamm zu sein.«
    Schniefend löste ich mich von ihr. »Wieso?«
    »Weil jede Frau aus unserem Stamm ihrem Vater, ihren Brüdern und schließlich auch ihrem Mann Lebwohl sagen muss. So ist es

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