Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
bei uns üblich. Jetzt komm, du. Zieh diese Sachen aus, wasch dein Gesicht und geh in die Küche. Sag der alten Vettel, ich hätte befohlen, dir etwas Gurkensuppe mit Honig zu geben.« Ich versuchte, ihr für ihre Güte mit einem Lächeln zu danken, heulte aber stattdessen wieder los. »Geh schon«, sagte sie und schob mich zu den wartenden Sklavinnen hin, die mich wieder auszogen.
Nach meiner Suppe mit Honig erklärte mir Shana, es sei an der Zeit, dass ich das Brotbacken lernte; die Datteln waren vergessen. »Das Teigkneten ist Shekinas Weg, unseren Zorn zu lösen«, sagte sie.
»Ich fühle keinen Zorn«, protestierte ich.
»Trotzdem«, meinte sie dunkel. Wir gingen auf die andere Seite des Hofes, gegenüber dem Mühlstein. »Hier«, sagte sie. Ich blickte auf das nächste Steingebilde. Es handelte sich um eine rechteckige Fläche, um die herum eine u-förmige Rinne verlief. »Sobald ‘Sheva mit dem Getreide fertig ist, mischst du es mit Wasser und einer Hand voll Teig von gestern, um neues Brot zu backen. Dann«, sagte sie mit einem kritischen Blick auf mich, »deckst du den Teig zu, während du das Wasser holst, das du für den Tag brauchst.«
»Am Brunnen?«
»Wo willst du sonst Wasser holen?«
Keine Ahnung, an einem Wasserhahn vielleicht? Oder im Supermarkt? Ich fühlte mich ein wenig daneben. Cheftu hatte beschlossen, mich zu verlassen. Aus gutem Grund, na gut. Aber trotzdem. Wo lag Midian? Die flüchtenden Apiru hatten das Meer am Ende des Golfes von Akaba durchquert, und zwar in Richtung ... Saudi-Arabien? Ein hysterisches Lachen kroch in meiner Kehle nach oben. Das Gold der Juden lag in einem arabischen Land?
Das weißt du bereits, kritzelte das Lexikon auf die Tafel in meinem Kopf.
Ich habe es gehört, gab ich zurück. Ich habe es nicht gewusst, so wie ich es jetzt weiß.
»Danach wartest du etwa eine Woche lang«, setzte Shana ihre Kochstunde fort. »Lass dir Zeit. Dann holst du den Teig herunter und knetest ihn. Du weißt nicht, wie man knetet.« Ich merkte sofort, dass das keine Frage war.
»Ach, lo«, sagte ich unnötigerweise.
Sie tch’te nur einmal und zog mich dann nach unten, um mir zu zeigen, wie man knetete. Man musste auf den Teig einprügeln, ihn flach ausbreiten und dann wieder einrollen.
»Jetzt du.«
Ich kam einigermaßen zurecht, doch ich würde ganz bestimmt keinen vorchristlichen Pizzastand aufmachen.
Dafür aber wusste ich, wie ich meinen Trizeps bis ans Ende der Zeit trainieren konnte. »Das musst du etwa vierzigmal wiederholen«, sagte sie. »Und schließlich machst du kleine runde Fladen.«
Fladen würde ich noch zu Wege bringen.
»Wenn du sie hier liegen lässt, kommen die Küchensklavinnen sie holen.«
Ich nickte.
»Und jetzt geh wieder an deine Datteln!«
Ich war etwa sechs Datteln weit gekommen, bevor ich mich zu fragen begann, wer eigentlich Shekina war.
Cheftu schwieg in jener Nacht. Ich schwieg ebenfalls.
Was sollte ich auch sagen. Er hatte gute Gründe; er verhielt sich vernünftig. Ich dagegen war neurotisch. Wir lagen still nebeneinander, ohne uns zu berühren. Wir erwachten schweigend und berührten uns immer noch nicht. Er verschwand auf die Felder, und ich kehrte zu meinem unbesiegbaren Dattelhaufen zurück.
Nur dass ich dem Sieg ganz langsam näher kam. Eine Dattel nach der anderen war von einem Haufen auf den anderen gewandert. Jetzt brauchte ich sie nur noch mit Gewürzen oder anderem Zeug zu füllen und sie in Krügen einzulagern. Nachdem ich meinen Keil gegen einen Löffel eingetauscht hatte, ging ich in die Hocke und machte mich ans Stopfen.
Als wir in Saudi-Arabien lebten, hatte ich eine Freundin gehabt, die mir beteuerte, Datteln seien beinlose Kakerlaken. Damals hatte mir schon bei dem bloßen Gedanken gegraust, und die Wirkung hatte seither nicht nachgelassen. Dennoch verbannte ich Kafka aus meinen Gedanken und stopfte die Datteln mit Pistazien und stopfte sie mit Rosinen, während ich dem Getratsche der Frauen zuhörte.
Irgendwo im Palast knallte eine Tür. Das ganze Gebäude erbebte. In der Küche erstarrte alles in der Bewegung. Selbst das ständige Geplapper der spielenden Kinder verstummte.
»Wie kannst du es wagen?«, hörten wir. Das Gezeter kam zum Fenster herein, allerdings konnte ich es auch näher hören. Eine erboste Frau, die aus Leibeskräften schrie.
»Wagen? Und das sagst du zu mir, der Prinzessin des Herrschers über unser Volk?«
Erboste Frau Nummer zwei, ebenfalls kreischend.
»Eine Prinzessin warst du nur, bis
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