Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
ich damit die Datteln schließen konnte. Ich zog den Kopf ein und stopfte weiter.
Bis zum Nachmittag schmerzte mir jeder Muskel im Leib. Meine Arme kreischten vor Schmerz, weil ich nichts anderes getan hatte als Datteln zu füllen, meine Waden waren steif, weil ich die ganze Zeit in der Hocke gekauert hatte, und ich hatte mir den Hals verzogen. Ich konzentrierte mich gerade darauf, noch ein paar letzte Datteln fertig zu machen, um mich dann unauffällig abzuseilen, als eine andere Frau meine Schultern berührte. »Isha, dein Mann steht draußen.«
Ich blickte auf die Datteln und meine mit Fruchtmark verklebten Hände. »Geh schon«, sagte sie. »Ich mache für dich weiter.«
»Todah«, bedankte ich mich. »Dafür stehe ich in deiner Schuld.«
Sie lächelte. »Ich liebe Datteln. Ich kann nicht versprechen, dass die Krüge sehr viel voller werden, aber ich werde für dich sauber machen.«
»Wenn du welche isst«, sagte ich, »dann nimm bitte welche, die noch nicht entsteint sind.«
Sie lachte und half mir auf. Ich versuchte, meine Hände abzuspülen, doch Dattelfleisch ist klebrig. Kurz darauf trat ich ins Freie. Cheftu stand in der Sonne, den Blick fest nach Süden gerichtet.
»Hi«, sagte ich.
Er drehte sich zu mir um, umfasste meinen Kiefer und eroberte meinen Mund mit einem zärtlichen Kuss, bei dem meine Knie zu Wasser wurden. Wie aus weiter Ferne hörte ich die Küchensklavinnen jubeln. »Komm mit«, sagte er.
»Sollte ich das als Zweideutigkeit auffassen?«, fragte ich mit einem benommenen Lächeln.
Er ließ ein Grinsen aufblitzen. »Ich hoffe doch.«
Ich drehte mich um. »Kann ich einfach so weggehen?«
»Vertrau mir.« Er nahm meine Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Über seine Stirn zogen sich leichte Denkerfalten. Wir gingen aus dem Palast, den Hügel hinunter und auf die Felder. Zum ersten Mal seit Wochen schaute ich mich um. Endlich war ich einmal im Tageslicht draußen und bekam mehr als nur einen Lehmziegelpalast und den blauen Himmel zu sehen. »Kriegen wir keine Schwierigkeiten -«
»Non«, sagte er.
Achselzuckend folgte ich ihm weiter. Wir nahmen einen steilen Ziegenpfad hügelabwärts, passierten unseren Weingarten und unseren Wachturm und wanderten immer tiefer ins Tal.
»Weißt du, dass ich dich liebe?«, fragte er, während wir uns den schmalen Weg entlangschlängelten. Meine Hand lag fest in seiner, die andere hatte ich ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Es war kaum zu fassen, wie fest meine Fußsohlen geworden waren.
»Ich, äh, natürlich.« Den letzten Meter übersprang ich. Wir waren wieder auf ebenem Grund, in einem Olivenhain. Das Flüstern der silbergrünen Blätter war fast so beruhigend wie Meeresrauschen. Überall um uns herum waren die Zweige mit roten Fäden umwunden. Weitere B’kurim. Schillernde Schatten fielen über uns.
Er nahm auch meine andere Hand, sodass ich mich zu ihm umdrehen musste.
»Du sagst das mit wenig Überzeugung, chérie.«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Mir war klar, dass er mich liebte, ich ... ich spürte es einfach nicht so sehr, wie ich mir gewünscht hätte.
»Ich habe dich hierher gebracht, weil du dabei sein sollst, wenn ich erfahre, ob es mein Schicksal ist, diese Reise nach
Midian zu unternehmen.« Er sprach wieder Ägyptisch.
»Wie willst du -«, setzte ich an, doch dann fielen mir die Steine wieder ein, die Urim und Thummim. »Du hast sie immer noch?«
Er errötete und nickte. »Ja.«
»Versteckst du sie immer noch in deinem, äh ...« Ich deutete in Richtung seines Schurzes.
»Dort sind sie am sichersten aufgehoben«, sagte er.
Als Ägypterin und vor allem als Frau eines Arztes wusste ich, dass der Anus ein äußerst wichtiger Körperteil war. Einlaufe waren das Aspirin des alten Ägyptens. Ob die Israeliten das genauso sahen, wusste ich nicht; und ich wollte es auch nicht wissen. »Kannst du es verstehen, wenn ich sie nicht werfen möchte?«, fragte ich.
Er lächelte und holte sie dann aus seiner Bauchschärpe. Die Urim und Thummim: auf den länglichen Steinen waren althebräische Buchstaben eingraviert. Sobald man die Steine zusammenbrachte, begannen sie zu tanzen. Cheftu hielt einen in jeder Hand, und plötzlich begriff ich, woraus sie bestanden, durch welchen »Zauber« sie funktionierten.
»Es sind Magneten!«, platzte es aus mir heraus.
»Aber natürlich«, bestätigte er. »Jetzt schau zu, du musst die Zeichen lesen.« Er sah mir tief in die Augen. »Du fragst, weshalb wir
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