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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Reise der Siebzig zu dem heiligen Berg. Har Horeb. Wieder schüttelte Cheftu kummervoll den Kopf. Und seine Generation glaubte, sie wisse alles und niemand zuvor sei so fortschrittlich gewesen.
    Welche Arroganz!
    Wer den Sinai gesehen und sich bewusst gemacht hatte, wie viele Menschen zusammen mit Moses aus Ägypten gezogen waren, musste ein Narr sein, um zu glauben, dass die Halbinsel genug Nahrung und Verstecke bot. Für ein Volk auf der Flucht war sie schlicht zu klein und von zu vielen Ägyptern überlaufen. Auf dem Sinai lebten mindestens zwanzigtausend Sklaven und wahrscheinlich zehntausend Soldaten dazu, und zwar noch heute. Cheftu spürte dutzende von Blicken in seinem Rücken. Diese Ägypter behielten sie stets im Auge. Würde Pharao von ihrer Reise erfahren? Und wie wollte N’tan das Gold zurück nach Mamre schaffen?
    Oder wäre Dadua bis dahin in Jebus? Wusste er, dass man nur durch den Tzinor in die Stadt gelangen konnte? Wenigstens den heiligen Schriften zufolge - nur dass niemand wusste, wie dieser Begriff genau zu übersetzen war. Wasserlauf? Kanal? Abfluss? Es gab so vieles, was er nicht wusste, was er nicht verstand. Was hatten die kryptischen Anmerkungen des Tzadik zu bedeuten? Wieso war es so wichtig, Cheftus wahren Namen zu wissen? Seufzend rieb er sich die Augen. Ach, Chloe, ma chère, langweilst du dich immer noch beim Getreidemahlen?
    »Ägypter!«
    Er drehte sich um. N’tan redete ihn stets nur mit »Ägypter« oder »Sklave« an, so als wolle er den Namen Chavsha gar nicht zur Kenntnis nehmen. Wie sehnte sich Cheftu danach, wieder frei zu sein, wieder selbst über seine Schritte bestimmen zu können. Vielleicht würden die Löcher in seinen Ohren im Lauf der Zeit ebenfalls heilen. Dieses Zeichen, dass jemand anderer über seinen Körper verfügen konnte, war ihm zutiefst zuwider.
    Fast so zuwider wie die Tatsache, dass jemand anderer über seine Zeit verfügen konnte.
    N’tan winkte, und Cheftu ging zu ihm. »Wir haben jetzt Führer, Esel und Proviant«, sagte N’tan. »Wir werden in drei getrennten Gruppen marschieren.« Er senkte die Stimme und sah über Cheftus Schulter hinweg. »Ich mache mir allmählich Sorgen, dass der Anblick derartiger Reichtümer einen der Siebzig dazu verleiten könnte, unsere Gesetze zu übertreten.«
    »Des Menschen Herz ist schwer zu durchschauen«, kommentierte Cheftu.
    »Gold allein verführt oft zu Falschheit und Mord. Und zu allen anderen erdenklichen Taten: Avayra goreret avayra. Darum müssen wir die Versuchung verringern.«
    »Also teilen wir sie auf?«
    N’tan nickte und zog dann die Achseln hoch.
    »Ich sehe keinen besseren Plan«, bekannte er.
    »In welcher Abteilung werde ich reisen?«, erkundigte sich Cheftu.
    N’tan musterte ihn wohlgefällig. »Du wirst die erste Gruppe führen.«
    Cheftu neigte den Kopf zum Dank für diese Auszeichnung, auch wenn er nie vergaß, dass dieser Mann sein Eigentümer war. »Todah rabah für dein Vertrauen.«
    »Selbst wenn du ein Götzenanbeter bist.«
    Cheftu hielt den Blick zu Boden gesenkt, da er nicht gewillt war, auf die offenkundige Beleidigung zu reagieren. Warum sollte N’tan auf Grund dessen, was er gesehen hatte, auch etwas anderes annehmen? Cheftu wusste, dass le bon Dieu die Wahrheit kannte; war das nicht alles, was zählte? »Bekommen wir einen Führer? Oder muss ich mir den Weg allein suchen?«
    »Du verehrst viele Götter, Ägypter?«, fragte N’tan.
    Cheftu schwieg eisern und ohne auf das Sticheln des Tzadik einzugehen. N’tan seufzte. »Der Führer bringt euch hin.«
    »Und wenn ihm etwas zustößt? Wenn er krank wird? Oder wegläuft?« N’tan lachte leise. »Sei versichert, es wird nichts passieren.« Cheftus dunkle Vorahnungen verstärkten sich zusehends. Man sollte niemals derart absolute Behauptungen aufstellen. Das brachte Unglück. »Ich hätte ein besseres Gefühl, wenn ich es genau wüsste«, sagte er. »Dann -«
    N’tan schnitt ihm frostig das Wort ab. »Der Führer bringt euch hin, Sklave. Ihr werdet zu Beginn der nächsten Wache aufbrechen. Innerhalb der nächsten zwei Tage werden wir zu euch, den ersten fünfunddreißig Männern, und dann zu den zweiten fünfunddreißig Männern stoßen. Maspeak!«
    Schluss; damit war das Gespräch beendet. Cheftu ließ sich wegschicken und starrte dann vom Schiff aus in die Wüste. Er hatte die Steine - von ihnen konnte er alles erfahren, was er wissen musste. Aber er brauchte eine Waffe. Um sich eine zu besorgen, würde er das Gesetz brechen

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