Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
Gott? Protestierten die alten Götter gegen die Vergesslichkeit des Hauses des Thutmosis?
Gold und guter Wille.
Die Kluft zwischen dem Haus des Pharaos und seinem Volk war nicht zu überbrücken. Nur sein Tod würde die Menschen wieder versöhnen. Auf beiden Seiten fehlte es an gutem Willen. Für Echnaton waren die Menschen Luft, und sie hielten ihn für einen Wahnsinnigen, der die Doppelkrone ebenso wenig verdient hatte wie jeder, den er erwählte.
Doch wenn sie nicht regierte, wer sollte es dann tun? Die Anwärter auf den Thron Ägyptens standen schon Schlange: Horemheb, der sabbernde Kommandant über die Zehntausend; Ay, der allzu loyale Diener des Thrones; und dazu kamen die ausgesuchten Cousins, die es schon lange juckte, die Geißel in Händen zu halten. Doch keinem von ihnen lag etwas an Echna-ton. Keiner von ihnen würde den Aton weiterleben lassen. Selbst der kleine Tuti, Echnatons jüngster Halbbruder und daher rechtmäßiger Thronerbe, ließ nicht den rechten Glauben an den Aton und an die Vision seines Bruders erkennen.
Also blieb nur das Gold. RaEm würde diese Krone, diese Macht, nicht wieder hergeben. Sie bedeutete nur wenig, doch sie würde daran festhalten und sie zu neuer Kraft führen. Sie würde all jene besiegen, die in ihrer Machtgier Echnaton zu überrollen versuchten.
Mit Gold könnten wir in anderen Ländern Getreide für das einfache Volk kaufen, dachte sie. Mit Gold könnten wir uns guten Willen erkaufen. Dann könnten wir möglicherweise in einer Versöhnungsgeste einige Tempel wieder eröffnen. Das Gold würde Ägypten erlauben, all das zu erwerben, was ihm einstmals selbstverständlich zugestanden hatte: Handelsbeziehungen zu den Mächten im Norden und Westen.
RaEm würde nicht verlieren. Nicht diesen Thron.
»Wieso sitzt du allein im Dunkeln?«, fragte Echnaton hinter ihr. Sie schloss die Augen und zwang ihren Leib dazu, ihm entgegenzuwachsen. Lächelnd drehte sie sich zu ihm um. Er war nackt, erigiert, und seine Augen glänzten. »Öffne dich mir«, befahl er.
Mit einem innerlichen Seufzen nahm sie ihn gehorsam in sich auf, um seine Leidenschaft hochzupeitschen. Seine Lust zu nähren, bedeutete Macht für sie, denn auf diese Weise konnte sie ihn kontrollieren. Auf diese Weise herrschte sie über den mächtigsten Herrscher im ganzen Land. Um ihre Macht über ihn zu betonen, drückte sie ihn auf die Knie nieder. »Gib«, sagte sie, während sie ihn leckte, »mir -«
»Ja«, stöhnte er. »Alles, was du willst.«
Sie nahm ihn ganz tief in sich auf. »Schwöre.«
»All- alles. Ich« - er keuchte - »alles, was du ... was du willst.«
»Schwöre es beim Grab Nofretetes«, flüsterte sie leise. Einen Moment lang hielt er inne und sein Blick wurde kalt; RaEm fürchtete schon, zu weit gegangen zu sein. Sie befriedigte ihn mit einem weiteren Finger, diesmal mit einem beringten, was seine Leidenschaft noch mehr anstachelte. Schlagartig war er wieder in die Sphären der Lust aufgestiegen. Eilig machte sie ihn fertig und ließ zu, dass er sich in sie ergoss.
Im Aufstehen sah er sie an. Mit kaltem, berechnendem Blick. »Wonach drängt es dich so sehr?« Sein Lächeln war ohne jede Zuneigung. »Wieso hast du mich mit solchem Bestreben genommen?«
»Mein wichtigstes Bestreben ist stets, dir Vergnügen zu bereiten ... Meine Majestät«, sagte sie.
Er ließ sich auf ihre Liege zurücksinken.
»Und dein zweitwichtigstes?«
»Ich will die Armee.«
»Ein Pharao allein kann das Feuer zwischen deinen Beinen nicht löschen?«
Er war absichtlich grob, und RaEm biss sich innen auf die Lippe. Er war Pharao. Alles, was sie besaß, konnte schon morgen verschwunden sein, wenn es ihm nur einfiel. »Auf meiner
Liege brauche ich nichts außer Meiner Majestät«, sagte sie. »Doch ich will die Armee exerzieren lassen.«
Er setzte sich auf. »Wozu? Was beabsichtigst du damit?«
Ich will, dass Horemheb und seine Männer auf meiner Seite stehen, ganz gleich, was passiert, dachte sie. »Es war nur so eine Idee.« Sie schmiegte sich an ihn. »Sag, kann ich die Armee haben?«
Er hob ihr Kinn an und küsste sie auf die Lippen. »Du kannst alles haben. Du besitzt bereits Pharaos Herz. Mehr noch, du sollst Nofretetes Titel erben; fortan sollst du Semenchkare Ne-ferhetenaton heißen.«
Diese Worte aus seinem Mund zu hören war mehr, als sie sich je erträumt hatte. Es bereitete ihm nicht die geringste Mühe, sie mit seinem Mund und seinem Gesicht zu verführen, und war doch tödlich für sie. Sie blickte
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