Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
steif. Sie spürte, wie hinter ihr Echnatons Interesse erwachte. »Melde dich in der Küche und lass dir eine Erfrischung geben«, sagte sie, um den Mann loszuwerden. Der Bote zog sich eilig zurück. RaEm winkte dem Wachposten, gab ihm ein paar Anweisungen und schloss die Tür.
»Was wurde gesichtet?«, fragte Echnaton misstrauisch.
»Schleichen etwa diese verfluchten Priester des abgesetzten Gottes durch die Wüste?«
Nur auf einem einzigen Weg ließ sich erreichen, dass Pharao sich für die Vorgänge in seinem Königreich interessierte - man musste versuchen, sie geheim zu halten, dachte RaEm seufzend. »Ich habe die Soldaten gebeten, darauf zu achten, wer an unseren Kupferminen im Sinai vorbeikommt. Sonst nichts.«
Seine dunklen Augen tasteten erst ihr Gesicht und dann ihren Körper ab. Schließlich sah er ihr wieder in die Augen. »Wie viele Soldaten haben wir auf dem Sinai?«
»Mehrere Kompanien.«
Keinesfalls genug, um unsere Interessen dort zu verteidigen
»Die meisten davon beaufsichtigen die Sklaven.«
»Wie viele Sklaven?«
RaEm zog die Achseln hoch. »Ich habe keine Ahnung.« Jedenfalls nicht genug. »Vielleicht ein paar tausend?«
»Wozu brauchen wir Kupfer?«
Sie musste an sich halten, um ihrer Miene nicht anmerken zu lassen, wie dumm er ihr bisweilen vorkam. Glaubte er etwa, das Land funktionierte von ganz allein? Dass Ägypten nichts aus anderen Ländern brauchte? Dass alle Dienste und Produkte in Ägypten hergestellt werden konnten?
Möglicherweise zu Hatschepsuts oder Ramses’ Zeiten - die erst noch kamen, wie ihr mittlerweile klar geworden war -, aber nicht zu dieser Zeit. »Wir müssen Tuti krönen«, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf.
»Er ist noch ein Kind und nicht alt genug, mit einer Frau zusammen zu sein. Außerdem«, meinte er schmollend, »sollte Anchenespa’aton meine Frau werden!«
»Sie ist auch deine Tochter und die einzige noch lebende Frau, die das Königsrecht trägt.«
»Aii, Meritaton«, flüsterte er leise. Einen Moment lang blieb er stumm, dann stand er auf, die dicken Schenkel von dem Samen verklebt, den er nicht mehr von ihrem Körper aufnehmen ließ. »Ich werde ihr einen König besorgen.«
Blinzelnd versuchte RaEm ihn zu verstehen, seinen Worten
irgendeinen Sinn zu geben.
Pharao hob seinen Schurz vom Boden auf.
»Wenn du meinst, dass wir einen König krönen müssen, dann werde ich Anchenespa’aton auf meine Liege mitnehmen, bis sie schwanger ist.«
Augenblicklich standen RaEm die Tränen in den Augen. »Du willst mich verlassen?« Ihre Stimme war dünn wie ein Faden.
»Du hast selbst gesagt, dass wir im Sinn der Ma’at handeln müssen«, meinte er. »Ich sage dir, die Ma’at ist tot, die Ma’at hat sich gewandelt zu einem Verständnis von geistiger Offenheit. Doch eines gestehe ich dir zu: Ägypten muss begreifen, dass diese Dynastie fortdauern wird. Da du«, er kicherte, »deiner Pflicht nicht nachgekommen bist, ist die Reihe jetzt an mir. Die nächste Generation von Ägyptern wird nur noch die wärmende Liebe des Atons kennen. Ein König von meinem Blut muss sie anführen.«
RaEm hatte die Fäuste so fest geballt, dass sie die Halbmonde ihrer Nägel spürte, die sich jetzt in ihre Handflächen gruben. Der Biss des Schmerzes war das Einzige, was sie noch auf den Beinen hielt. »Ich liebe dich«, flüsterte sie. Es waren Worte, die sie noch nie aufrichtig ausgesprochen hatte. Worte, die sie bisher einzig und allein eingesetzt hatte, um zu manipulieren und Macht zu gewinnen.
Jetzt hatte sie alle Macht verloren. »Bitte ... tu mir das nicht an. Verlass mich nicht.« Der Gedanke, dass sie ihn anbettelte, ekelte sie an, doch die Vorstellung, ohne ihn leben zu müssen, war tausendmal schlimmer.
Echnatons Blick blieb kühl und seine volle Stimme tonlos.
»Fahr zu deinen Kupferminen. Bei deiner Rückkehr wird Anchenespa’aton ein Kind erwarten. Sollte mir dann der Sinn danach stehen, werde ich dich wieder aufnehmen.«
RaEm spürte den Schlag so deutlich wie seine Hand, die sie so oft auf ihrem Hintern und ihren Schenkeln gespürt hatte.
»Wie Meine Majestät wünscht«, hauchte sie.
Er kam zu ihr, mit verknittertem Schurz und schlaffem Bauch. Falten gruben sich durch sein Gesicht und schnitten tief in die Haut beiderseits seines Mundes, seines weiblichen und so beweglichen Mundes. Seine Schultern hingen herab, seine Arme waren zu dünn, doch sie liebte ihn. Sie kannte jede Faser seines Körpers. Sie hatte ihn auf jede nur erdenkliche Weise
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