Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
nicht um Geldbeträge handelte, sondern um Tauschwaren. Für ein Pferd würde er ihr den lila Teppich überlassen. Den gelb-lilafarbenen würde er ihr, auch wenn das an Raub grenzte, für nur zwei Esel und ein Huhn überlassen. Sein letztes Angebot war der Teppich in Lila und Orange. Eine so bezaubernde Farbkombination! Und was für ein Geschäft für nur drei Tauben und einen Esel!
Noch bevor er mit seiner Tirade fertig war, war sie verschwunden.
Alles wirkte so normal, so absolut alltäglich. Ahnten sie, dass die Hochländer ihre Stadt belauerten? Dass David, Gottes Liebling, diese Stadt erobern wollte und es früher oder später auch tun würde? Waren wir alle nur ein Bauernopfer? Steckte irgendein Plan hinter all dem? Was hatte ich hier zu suchen? Ich meinte in meinen Ängsten zu ertrinken, während meine
Füße mich in die Rehov Shiryon führten, die Straße der Waffenschmiede - Bronzewaffen, da allein wir Pelesti Eisen herstellen konnten.
Konzentrier dich aufs Lauschen, Chloe. Denk nach! Im Zickzack schlenderte ich über die breite Straße, dankbar dafür, dass alle so laut und deutlich zu sprechen schienen.
Die vereinte Hitze der Schmiedeöfen und der Nachmittagssonne brachte das Straßenpflaster fast zum Glühen. Nach nur wenigen Sekunden fühlten sich meine Nasenlöcher versengt an. Es war eine wichtige Straße; hier wurden die Waffen hergestellt. Das Klirren der Metallbearbeitung drang mir durch Mark und Bein, während ich erst die Waffen zählte und dann die Uniformierten, die ich auf der Straße sah.
Ein wahrscheinlich erst achtzehnjähriger Junge hämmerte Hufeisen. Bei jedem Schlag sprühten Funken, was in mir die Frage weckte, wie viele Pferde sie wohl beschlugen. Allerdings waren die Pferde nicht hier untergebracht - ich konnte also auch keines stehlen -, denn die Stadttore waren für sie zu klein.
Verkauften sie die Hufeisen an andere Völker? Im Weitergehen machte ich mir im Kopf eine Liste. Speerspitzen, Schwertklingen, Pfeilspitzen - alles war zum Verkauf ausgelegt. Aus dieser Entfernung war schwer zu sagen, ob sie aus Kupfer oder Bronze waren. Näher wagte ich mich nicht heran, weil das Verdacht erregt hätte.
Doch die Liste in meinem Kopf wurde immer länger. Jebus war eine Stadt mit reichlich Reserven.
Ein kurzer Spaziergang an der Mauer entlang ließ erkennen, dass die Fundamente ausgezeichnet in Schuss waren und jeder Wachturm mit drei Männern besetzt war. Falls es diesen Leuten jemals gelang, ein Fallgatter zu konstruieren, würde Jerusalem nie eingenommen werden!
Und nirgendwo ein Kind zu sehen.
In der Abenddämmerung verließ ich zusammen mit den übrigen Reisenden die Stadt. Meine Arbeitgeberin hätte mich in ihrem Hof schlafen lassen, doch ihr junger, pfiffiger Sohn hatte Vorbehalte. Unter dem fernen, aber wachsamen Auge von Yo-avs Soldaten schlief ich ein.
MIDIAN
Cheftu sah sich um. Er war überzeugt, dass sie sich verirrt hatten. Seit beinahe vier Tagen waren sie nun unterwegs, dabei hätten sie den Berg schon in zweien erreichen müssen. Und immer noch steckten sie mitten im Nirgendwo. Meilenweit erstreckte sich nur Sand um sie herum, weicher, nachgiebiger, in endlose Wellen gelegter Sand.
Die Mehrheit der Sklaven war in der ersten Gruppe losgezogen, um das Lager für ihre Herren herzurichten. Cheftu hatte den Auftrag bekommen, sich umzusehen und zu prüfen, ob er am Fuß des Berges irgendwo eine Spur von Gold entdecken konnte.
Nicht nur, dass er kein Gold fand, es war noch nicht einmal ein Berg zu sehen.
Die Führer weigerten sich, mit den Sklaven oder mit ihm zu sprechen. Sie führten nur durch Gesten, ganz nach Lust und Laune pausierten sie oder zogen weiter. Cheftu legte die Hand auf die Steine an seiner Taille; er hatte schon vorgehabt, sie notfalls einzusetzen. Dann dämmerte ihm, dass er den Weg des Exodus aus Ägypten bereits kannte, da er die Bibel kannte.
In der Stille des Nachmittags, als sie sich in der größten Hitze des Tages ausruhen sollten, hatte er all das niedergeschrieben, was er noch wusste. Der Heiligen Schrift zufolge waren die Hebräer nach der Durchquerung des Roten Meeres drei Tage lang ohne Wasser weitergezogen. Dann hatten sie Wasser gefunden, bitteres Wasser. Moses und Gott hatten eingegriffen und das Wasser gereinigt und süß gemacht und Gott hatte ihnen erklärt, dass er ein heilender Gott sei, Jahwe Yi’ra.
Danach hatten sie eine Oase namens El’im erreicht, wo sie ihr Lager aufschlugen.
Sie hatten El’im verlassen und waren in
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