Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
allein.«
Wir schlichen aus dem Zimmer und ließen Mutter und Kind in vollkommener Verzückung zurück.
DIE WÜSTE
Gut bewaffnet und gepanzert marschierten die hundert Männer durch das Arava-Tal. Cheftus Blick war auf die Schotterebene gerichtet, als er ganz unerwartet einen winzigen Moment lang etwas wie einen Spiegel im Dreck aufblitzen sah. Nur seiner Erfahrung war es zu verdanken, dass er nicht stolperte und dadurch zu erkennen gab, was er gesehen hatte - das Gleißen der Sonne auf Metall. Er ging weiter, nun aber ganz und gar auf seine Umgebung konzentriert und auf jedes Geräusch lauschend. Hinter ihm befand sich, sorgfältig unter Proviant, Kleidung und einer toten Ziege versteckt, der Reichtum von Hat-schepsuts Ägypten.
Es war eine Wüste, doch anders als in Midian gab es hier keine Sandwellen und keine wild streunenden Kamelherden. Es war ein brutaler, felsiger Landstrich, in dem nur Akazien und wildes Gras überlebten. Die Hügel zu beiden Seiten waren von Höhlen durchlöchert. In regelmäßigen Abständen erspähten sie eine Ziege oder eine Wildkatze. Hyänen keckerten in der Ferne, und über die salzige Ebene hin und her ziehende Gazellenherden hatten ihre Spuren hinterlassen.
Der Schweiß verdampfte ebenso schnell, wie er aus den Poren trat, so trocken war es hier. Da ihre Rückkehr dringend erwartet wurde, marschierten sie tagsüber, was ausgesprochen unüblich war. Und so spät im Sommer der blanke Wahnsinn. Das sollte Echnaton mal ausprobieren, dachte Cheftu. Hier gab es mehr von seinem »Aton«, als selbst Pharao ertragen konnte.
Das Wandern in der Sonne, in Stoff gehüllt und einen Fuß monoton vor den anderen setzend, brannte ihm alle Gedanken aus. Darum war ihm nicht schon früher aufgefallen, dass sie
verfolgt wurden.
N’tan taumelte an seine Seite. »Spürst du es?«, fragte Cheftu leise.
»Wir werden beobachtet.«
Unauffällig ließ Cheftu den Blick wie so oft über die Hügel, die Akazien und Felsen wandern. »Ich kann sie nicht sehen.«
»Ich auch nicht.«
»Sollen wir weitergehen?«
»Was meinst du, sind es Tiere oder Menschen?«, fragte N’tan.
Cheftu musste ein Lachen unterdrücken. Tiere würden vor einer so großen Karawane die Flucht ergreifen. Nur ein einziges Lebewesen würde versuchen, so viele Menschen anzugreifen.
»Ganz eindeutig Menschen.«
»Ach!«, meinte N’tan. »Wir sind nahe der Salzmeerküste.«
»Wie nahe?«, hakte Cheftu nach.
»Wenn wir weiterziehen würden, wären wir in der Morgendämmerung dort.«
Was wäre wohl besser? Weiterzuziehen, in der Hoffnung, die Verfolger abzuhängen oder auszuspielen? Oder wie all die Abende zuvor ein Lager aufzuschlagen und sich auf eine Schlacht in der Morgendämmerung vorzubereiten?
»Was für Waffen haben unsere Männer?«
»Bronzeschwerter. Ein paar haben auch pelestische Klingen.«
»Wir werden uns wieder in drei Divisionen aufteilen. Um sie zu verwirren.«
»Was wird ... aus dem Schatz?«, wisperte N’tan.
»Heute Nacht werden wir im Schutz der Dunkelheit einiges davon vergraben. Den größten Teil.«
»Und zurücklassen?«
Cheftu widerstand der Versuchung, seine trockenen Lippen mit der Zunge anzufeuchten; dadurch würden sie nur noch mehr austrocknen. Er fummelte in seiner Schärpe nach einem kleinen Stein, seinem Lutschstein. Er hatte gelernt, dass ein Kiesel unter der Zunge Mund und Kehle feucht hielt. Gleich darauf hatte er wieder genug Speichel zum Schlucken und zum Sprechen. »Eine Abteilung schicken wir voraus, mit einem Teil des Goldes und den Männern mit den Bronzeklingen.
Sie werden den Weg durch Midian und Yerico hindurch und um Jebus herum nach Mamre nehmen.«
»Und die Übrigen?«
»Eine Abteilung bleibt zurück, um sich zum Kampf zu stellen, und die Beigesetzten werden später scheinbar den aufgewühlten Boden erklären.«
»Wir bringen sie um? Und vergraben das Gold dann mit ihnen?«
»Lo. Wer auch immer uns nachstellt, wird sie töten. Wir werden das Gold mit ihnen vergraben, die Gräber wie typische Wüstengrabstätten mit Steinen abdecken und das Gold später holen.«
»Glaubst du, das wird die Briganten davon abhalten, die Leichen und das Gold wieder auszubuddeln?«
Cheftus Blick tastete die weit entfernten Höhlenfelsen ab; steckten sie vielleicht dort? Wie viele? Und aus welchem Volk? »Falls es Ägypter sind, werden sie die Toten ruhen lassen.« Hoffentlich, dachte er. »Die andere Möglichkeit wäre, das Gold in diesen Höhlen zu verstecken - irgendwie.«
»Und was
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