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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Nachforschungen wurde offenbar, dass Achan in einer früheren Schlacht Beute gemacht hatte.«
    »Und was geschah?«
    »Man musste ein Exempel statuieren: Avayra goreret avay-ra.«
    Schon wieder dieser Satz: Eine Missetat zieht die nächste nach sich.
    »Achan wurde mitsamt seinem ganzen Besitz und seiner Familie vor das Lager gebracht. Da es sich um einen Übergriff gegen die Gemeinschaft handelte, denn schließlich hatten wir eine Schlacht und viele Leben verloren, fällte die Gemeinschaft das Urteil über ihn.«
    »Äh ... und welches?«
    Ich hatte ein ungutes Gefühl. Schließlich war ich im Nahen Osten aufgewachsen. Gerechtigkeit war hier eine blutige Angelegenheit.
    Das Metall löste sich mit einem Klirren. Einen Moment lang herrschte atemlose Stille. »Achan, seine Familie und sein Besitz wurden zu Tode gesteinigt.«
    »Gesteinigt?«, wiederholte ich.
    »Und die Überreste wurden verbrannt. Wann immer du einen großen Steinhaufen vor der Stadtmauer siehst, handelt es sich um ein Zeichen, dass jemand einen Verstoß gegen die Gemeinschaft begangen hat und von der Gemeinschaft dafür bestraft wurde.« Er ließ sich zurücksinken. »Du kannst deine Ketten selbst lösen.«
    Ich zog sie durch die Ohren, die sich mit diesen riesigen Löchern eigenartig luftig und ohne das Gewicht des Metalls befremdlich leicht anfühlten. »Ich begreife das immer noch nicht. Wieso zieht eine Missetat die nächste nach sich?« Ich hatte ihm den Rücken zugewandt. Er beugte sich von mir weg, sodass ich die Wärme der Lampe auf meiner Haut spürte. Meine Hände zitterten.
    Yoav seufzte tief. »Du führst mich in Versuchung«, erklärte er geradeheraus. »Wenn ich dich nehmen würde, wäre das ein Ehebruch. Doch wie du selbst sagst, bekleide ich den Rang des Rosh Tsor haHagana. Der König leiht mir sein Ohr. Du würdest niemandem etwas verraten. Ich würde niemandem etwas Verraten. Wenn ich das nächste Mal etwas möchte, das mir nicht zusteht, werde ich mir denken, ich habe Ehebruch begangen, ohne dass jemand davon erfahren hat. Wenn ich diesen Schatz stehle oder Lügen über jenen Mann verbreite, wer wird dann davon erfahren? Ich bin schon einmal davongekommen.«
    Ich lauschte ihm absolut reglos; fast hatte ich Angst, mir bewusst zu machen, dass ich hier war.
    »Vielleicht ist es nur eine Kleinigkeit, doch sie lässt meine Eitelkeit wachsen. Irgendwann werde ich glauben, dass ich mehr weiß und klüger bin als Shaday. Diese Eitelkeit vergiftet ganz langsam meinen Nefesh, bis alle Gesetze nur noch Vorschläge für mich sind. Wenn ich die Grenzen überschreite und keine Bestrafung erfolgt, werde ich sie beim nächsten Mal noch weiter überschreiten.
    Und beim übernächsten Mal noch weiter. Im Lauf der Zeit wächst so ein Baum der Unaufrichtigkeit heran, der die Luft und die Erde unseres Landes vergiftet.« Er rückte in seinem Sessel herum. »Missetaten vergiften das Land. Und wenn das Land vergiftet wird, wird es uns ausspucken.«
    Seine Stimme wurde resoluter. »Ich opfere mein Blut für die-ses Land, für meinen Stamm. Und genauso werde ich meine Begierden opfern.«
    Ich war aufgestanden; ohne anzuhalten ging ich aus dem Unterstand hinaus in die Nachtluft und die Treppe davor hinunter, bis ich, vom Wind umweht, auf dem Wehrgang stand und dorthin schaute, wo mein Herz war. Aus einem winzigen Samenkorn wächst ein großer Baum, hörte ich Mimi sagen. Pflanz ihn lieber nicht ein.
    Ich sah meinen Ehemann an. »Er hat mir die Geschichte von Achans Fluch erzählt und mir erklärt, wie eine Missetat automatisch zur nächsten führt, bis alles verrottet. Danach bin ich hierher gekommen und habe auf dich gewartet.«
    Seine Augen sprühten Funken; mir war klar, dass er verstanden hatte, was ich nicht gesagt hatte. Der Wind fuhr in mein Haar, und wieder spürte ich die Löcher in meinen Ohren, das Gefühl von Freiheit. Er legte eine Hand an meinen Hals und schmiegte sie um mein Gesicht. Sein Daumen fuhr das Loch in meinem Ohr nach. Wahrscheinlich konnte er den kleinen Finger hindurchstecken. Ich wollte ihn nicht ansehen, sein Blick war mir zu weich. So sah ich hinaus auf das Tal.
    »Chloe?«, fragte er. Widerstrebend stellte ich mich seinem Blick. »Ich werde dich nie wieder verlassen. Das verspreche ich.«
    »Nichts -«
    Er schnitt mir das Wort ab. »Ich weiß das. Ich kenne dich.«
    Ich hatte den Blick abgewandt, darum drehte er mein Gesicht in seine Richtung. »Ich war dir gegenüber säumig, ich habe meine Pflichten

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