Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
gewusst hätte, hätte ich dich gestern Abend nicht so ... ähm ...«
»Enthusiastisch geliebt?«
Er lachte leise, trat dann über die Schwelle, knallte die Tür mit dem Absatz zu und schloss uns beide in der Dunkelheit unseres eigenen Hauses ein. »Ohne Enthusiasmus bestimmt nicht, chérie.«
Ich schmiegte mich in seine Arme und küsste ihn. Unser erstes Heim. Es war nicht gerade ein Coca-Cola-Moment, aber dennoch unvergesslich. Mir war jedenfalls nach Weinen zu Mute. Ich wand mich aus seiner Umarmung. »Komm, wir schauen uns alles an!«
Das Haus war lang, schmal und dunkel. Wie ein zu groß geratener Sarg. Wir gingen nach hinten durch, und dann sah ich etwas, das alles wettmachte. »Ein Zimmer mit Ausblick!«, rief ich. Das Haus war in einen Abschnitt der Stadtmauer hineingebaut. Und als Balkon diente uns die Brustwehr, von wo aus man auf die Felder, das Tal, den gegenüberliegenden Berg zu unserer Rechten und die Baustelle der Tsori links oben sehen konnte. »Wunderschön!« Ich hechtete mich auf ihn und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. »Wir haben ein eigenes Haus, Geliebter! Endlich gehören wir dazu!«
»Du, G’uret Klo-ee, gehörst zu mir«, betonte er.
In diesem Moment bemerkte ich das schwere Goldsiegel um seinen Hals, das flach auf seiner glatten Brust lag. »Schreiber Chavsha?« Ich betastete es. »Dein Amtssiegel.«
»Genau dieses.«
»Und was haben sie dir erzählt, während ich im Gang warten musste?«, wollte ich wissen.
Cheftu sah mich mit dem Anflug eines Lächelns an. »Dadua hat mich daran erinnert, dass wir von nun an vollwertige Kinder des Landes sind. Daraus ergeben sich gewisse Pflichten.« Er streckte einen langen Arm aus, schlang ihn um meine Taille und zog mich an seine Brust. Unsere Zehen berührten einander, und durch den Stoff meines Rockes spürte ich seine Knie. Eine kühle Brise wehte vom Balkon her ins Haus. Unser Haus. Ich schwebte im siebten Himmel vor Glück; selbst die Brise hatten wir!
»Und das wären ...?«, fragte ich ein wenig atemlos, weil er so angestrengt auf meinen Mund sah.
»Wir nehmen an allen Festen und Feierlichkeiten teil. In ein paar Wochen beginnt das Neujahrsfest, dann kommen der Tag der Sühne und das Sukkot.«
»Nachon«, sagte ich leise. »Keine Hefe im Frühjahr, wann war das, an Passah?«
Er legte einen Finger an meine Nase. »Du wirst fleckig.«
Spontan deckte ich die Hand über die Sommersprossen.
»Niedlich«, befand er.
»Das kommt von der Arbeit im Freien.« Wir unterhielten uns ganz ungezwungen, doch die Spannung zwischen uns wurde immer stärker und immer konzentrierter. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, woraufhin er tief Luft holte. »Gibt es noch andere Pflichten?«
»Ach, ken. Die heiligste Pflicht überhaupt.«
»Avayra gor er et avayra?«
Er küsste meine Fingerspitzen und ich seufzte leise. »Lo, die wichtigste Aufgabe im Land ist Folgendes.« Er beugte sich zu mir herunter, bis sein Atem warm über meine Haut strich.
Seine Lippen verharrten dicht über meinem Ohr.
»Seid fruchtbar und mehret euch.«
Mein Lachen verebbte zu einem leisen Seufzen. »O Chavsha, dein Wille geschehe.«
Dann trafen die Ägypter ein.
Mein Vater hätte sich bestimmt halb totgelacht, wenn er geahnt hätte, dass sein kleines Mädchen die Vermittlerrolle zwischen dem ägyptischen Thron und dem steinewerfenden David übernahm. Man hatte meinem Kommando eine eigene Küche für die Ägypter unterstellt, und ich hatte die Transuse geerbt, die für mich Getreide mahlte.
Ein paar pelestische Frauen und junge Bräute unter den Jebu-si rundeten mein diplomatisches Corps ab. Die Ägypter kamen nicht herauf in die Stadt, sondern schlugen ihr weitläufiges Lager von weißen Zelten, Wimpeln und Soldaten am gegenüberliegenden Hang des Kidron-Tales auf. Wie Katzen lauerten sie im Schatten, ohne sich der Stadt zu nähern. Es war an uns, den Kontakt anzubahnen.
Ich war bei Avgay’el und bürstete ihr Haar, wie es sich für eine Hofdame gehörte, als Yoav eintrat. Er grüßte erst sie, dann mich. »Am Hang sind es zweihundert Ägypter«, sagte er, schritt dabei auf und ab und kämpfte mit seinen Schläfenlocken. »Weitere tausend lagern im Hinon-Tal und noch mal tausend am Fuß von Har Nebo.«
»Haben sie schon irgendetwas unternommen?«, fragte ich, ohne das Bürsten zu unterbrechen.
»Lo.«
»Woher beziehen sie ihr Wasser?«
»Sie graben Brunnen.«
Sie hatten also vor, länger zu bleiben, und ihnen war klar, dass David ihnen die Stadt nicht
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