Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
ruhen.
»Er hat kein Glück«, flüsterte ich auf Englisch.
»Er wird warten müssen.«
Nach einer Weile wurde es langweilig, die Amazonen und den Elefanten bei ihrem Zickzackmarsch durch die Hügel zu beobachten, darum kehrten wir in unser Haus zurück. Doch sobald an jenem Abend der Shofar erklang, hasteten wir zum Audienzraum. Neben uns eilten Soldaten die Treppen hinab, alle rannten mit fliegenden Rockschößen zum Palast. Dann platzten wir in den neuen Thronsaal.
Chaos.
Avgay’el war in Galakleidung, und ihr Haar fiel in die Hände eines Jebusi-Mädchens hinab, das sich tapfer abmühte, Daduas
Gemahlin zu frisieren, während es gleichzeitig mit ihr Schritt zu halten versuchte. Dadua war von seinem Sohn nass gemacht worden, darum wischte er hektisch an seiner einschultrigen Tunika herum, während Shana nach einer neuen kreischte.
N’tan stürzte mit blutfleckiger weißer Robe in den Raum.
Shana fuhr ihr an: »Du! Was soll das? Was bist du für ein Tzadik, so blutverschmiert hier aufzutauchen?«
»Ich habe das Omen geworfen«, brüllte er zurück, während er sich gleichzeitig die Tunika vom Leib riss und eine andere anzog. Es herrschte eine Hektik wie im Hinterzimmer einer Modenschau!
Die Anführer der Zekenim zogen ihre Umhänge gerade, während überall Sklaven herumrannten, die eine Illusion von Reichtum und Wohlstand zu schaffen versuchten, und die Gi-borim einander mit Rüstungsteilen aushalfen.
Ganz im Ernst, wenn der Mann auf einem Elefanten eingeritten kam, dann würde er auf den ersten Blick erkennen, dass Dadua keineswegs reich war und wir ebenso wenig im Wohlstand schwelgten. Schließlich war er derjenige, der uns einen Palast erbaute.
Doch hier ging es vor allem um Reklame, das war mir klar.
Darum bemühten wir uns alle verzweifelt, eine Illusion zu schaffen.
Zakar Ba’al traf keine Stunde später ein. Was sah er wohl?, fragte ich mich. Wir hatten uns in Formation aufgebaut: Frauen, Kinder, Soldaten, Leibwächter und Bedienstete, alle in Rot und Gold gekleidet - in der Annahme, dass sein Gefolge, da er ja aus Tsor kam, Königsblau tragen würde.
Wir befanden uns im neuen Audienzsaal in der Oberstadt. Es war ein geräumiger, oben offener Saal, allerdings überdacht von einem Baldachin aus erst tags zuvor gefertigten Leinenvorhängen, die mit fein gearbeiteten Troddeln zusammengehalten wurden. Die Wände aus Zedernblöcken glänzten, denn sie waren während des Einbaus mit Bienenwachs poliert worden.
Daduas Thron und Podest beherrschten die Bühne, während wir Übrigen uns zu beiden Seiten aufreihten. Ein blinder Musiker - warum waren die Musiker in der Antike eigentlich immer blind? - schlug in einem Winkel leise die Saiten. Es hätte mich beinahe umgehauen, als ich sah, dass Cheftu im Schneidersitz auf dem Boden hockte, bewaffnet mit Kiel und Schriftrolle. Der Schreiber Chavsha zwinkerte mir zu und schob sich dann die Schläfenlocken hinter die Ohren.
Er hatte Hiram den Baumeister zwar nicht erkannt, doch mir war klar, dass Hiram ihn erkannt hatte. Mich hatte Hiram natürlich nicht erkannt, weil es keine bessere Tarnung geben konnte als mein rotes Haar und meine bleiche Haut. Was hatte der Mann vor?, fragte ich mich.
Während wir auf den Auftritt des Königs warteten, überprüfte ich noch einmal die Sklaven. Sie standen mit Weinkrügen und Bechern, Körben voller frischer Feigen und Trauben, eingelegten Gurken und gegrillten ashqelonischen Zwiebeln als Erfrischungen bereit.
Alles war blitzblank gebohnert, gewienert und auf Hochglanz poliert. Die Spiele konnten beginnen.
Erst traten Zakar Ba’als Amazonen ein. Sie kamen mir vor wie Komparsen aus einem Billigfilm über Irre und Außerirdische. Sie hatten kaum einen Fetzen am Leib, sie sahen phantastisch aus - aber sie hatten nur eine Brust, die genauso wie ihre Narben frei zu Tage lag.
Insgesamt waren es zwölf. Alle bauten sich breitbeinig auf, eine Hand auf die Waffe gelegt. Sie sahen aggressiv, sogar gemein aus. Und außerdem sprachen sie kein Wort, sondern verständigten sich nur mit Handzeichen untereinander. Stumme Amazonen?
Als Nächstes kamen die Diener. Sie waren gepierct und tätowiert wie Punker und beinahe nackt. Sie legten sich in gleichmäßigen Abständen zwischen den Amazonen bäuchlings auf den Boden. Gut, dass der neue Audienzsaal so groß war. In
den alten Raum hätten nie so viele Menschen gepasst.
Danach traten die drei Leibdiener ein, junge Männer in Rök-ken aus Pfauenfedern. Dieses leuchtende
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