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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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tastete sie von oben bis unten ab. Dann schüttelte er den Kopf. »Kein Wunder, dass Shaday uns aus Ägypten führen wollte. Du bist ein korruptes, niederträchtiges Scheusal. Du kannst erzählen, was du willst und wem du willst. Ich fürchte dich nicht.«
    »Das solltest du aber!«, zischte RaEm. »Ich habe mehr Macht in dieser und der nächsten Welt, als du dir vorstellen kannst. Ich kann über den Blitz gebieten. Tausende würden für mich in den Tod gehen, sollte ich es nur wünschen. Ich kenne die Zukunft!« Sie schlotterte am ganzen Leib, so viel Kraft kostete es sie, gegen die Alraunwurzel anzukämpfen und gegen seinen Abscheu zu bestehen.
    Er lachte. »Wenn du wirklich so mächtig bist, warum hältst du dann einen achtjährigen Jungen als Geisel, warum willst du einen Mann verführen, der dich für widerwärtig hält, und warum brauchst du dann mein Gold?«
    Mit einem zornigen Aufschrei schnappte RaEm ihren Dolch und stürzte sich auf Dadua. Sie spürte, wie die Klinge sich in Fleisch senkte, dann wurde sie zur Seite geschleudert. Ein anderer Mann sprach sie mit schwerem Akzent auf Ägyptisch an. »Das war ein Mordversuch, Pharao. Wenn du keinen Krieg willst, dann verlasse unser Land.«
    Sie blickte auf. Der große grünäugige Soldat schubste den Leichnam eines Mädchens, eines ägyptischen Sklavenmädchens, beiseite, in dessen Brust ein Dolch steckte. Dadua war umgefallen, aber nicht getroffen worden. RaEm hatte eine der ihren getötet. Ihr Blick traf auf Daduas. »Wenn du dein falsches Spiel weiterspielen willst«, sagte er, »dann solltest du deinen Frauenkörper verhüllen.«
    RaEm sah an sich herab. Sie war nackt. Eine Frau.
    Und machtlos.
    Wieder einmal hatten wir uns versammelt - diesmal auf königliches Geheiß. Wo zuvor gelärmt worden war, herrschte nun Stille. Wo zuvor gezecht und gefeiert worden war, wurde nun gefastet. Wo die Atmosphäre ausgelassen und fröhlich gewesen
    war, lag nun Ehrerbietung und Furcht in der Luft.
    Wo zuvor die Sonne geschienen hatte, standen wir nun im strömenden Regen.
    Wieder wurden die Tore geöffnet. Statt auf einem Karren zu fahren, hing der Thron nun zwischen goldenen Stangen und wurde wie eine Sänfte von den Levim getragen. Die Elohim hielten einander bei den Händen, und ihre geschwungenen Flügel schirmten den Deckel der Truhe vor den Regentropfen ab.
    Ich zitterte. Ich würde sie gar nicht beachten. Ich wollte nicht wirklich wissen, ob sie sich bewegten oder nicht. Lieber redete ich mir ein, dass ich betrunken gewesen war. Nur dass niemand Wein dabei gehabt hatte.
    Die blau und weiß gekleideten Levim traten mit dem schwebenden Thron vor. Mit ernster Miene schritten sie bedächtig wie ein Trauerzug dahin. Die Stangen, auf denen der Thron lagerte, waren mindestens drei Meter lang, und je drei Männer trugen ein Ende, in sicherem Abstand zu der Truhe.
    Die Lade musste erheblich schwerer sein, als Indiana Jones geglaubt hatte.
    In den mit Edelsteinen besetzten Brustpanzer des Hohen Priesters und einen schlichten Sklavenschurz gekleidet, ging Dadua vor dem Thron her. Ohne Krone und ohne Geschmeide, denn heute war er kein König, sondern ein Bittsteller.
    Nach dem siebten Schritt blieb Dadua stehen. N’tan führte einen reinen, weißen und gesunden Ochsen herbei. Unter Gebeten schlitzte er dem Tier den Hals durch und verspritzte das Blut. Es sickerte in den Boden, vermischte sich mit dem Regen und lief den Levim zwischen den nackten Zehen hindurch.
    Ich wagte einen hastigen Blick auf die zwei goldenen Figuren oben auf der Truhe. Waren sie einander näher gekommen? Frag nicht, schau nicht hin, ermahnte ich mich selbst.
    Als der Ochse verendet war, wurde er von drei Levim weggeschleift. Alle warteten in angespannter Stille. Dadua, dem der Regen die Blutspritzer von den Beinen wusch, trat einen Schritt
    vor.
    Nichts geschah.
    N’tan blies den Shofar, während die Levim weitergingen. Und zusammentraten. Alle warteten gespannt. Nichts geschah. Die Menschen der Stämme atmeten wie ein Mann aus. In gemessenem Tempo bewegte sich der Thron auf Gottes Tziyon zu. Nach weiteren sieben Schritten wurde der zweite Ochse geopfert.
    Die gesamte Gruppe bewegte sich in der Geschwindigkeit des Thrones. Ich warf einen ängstlichen Blick auf die Statuen der Elohim. Hatten sie sich bewegt? Vielleicht sogar aufeinander zu? Hatten sie sich vorhin nicht nur an den Händen gehalten? Mit jedem Schritt löste sich die Spannung der Anwesenden mehr, dennoch war deutlich zu spüren, welche

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