Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
einen Sitz und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Im Gegensatz zu euch bieten wir unseren Wein nur jenen an, die unseresgleichen sind und denen wir vertrauen können.«
Dieser Mann brachte mich noch auf die Palme. Ganz ruhig, Chloe. Cheftu reichte mir ebenfalls einen Becher, den ich ebenso schnell leerte wie Yoav, wenn auch reinlicher. Ich stellte den Becher ab, um deutlich zu machen, dass ich die Herausforderung angenommen hatte.
»Wie lauten deine Bedingungen, Yoav?«
»Das Geheimnis der Erzschmelze. Eure fortdauernden Dienste als Seefahrer und Kaufleute. Euer vollkommener Rückzug aus den Tälern. Stattdessen werden wir diese Wachtürme bemannen. Nur Ashqelon, Ashdod und Yaffo werden verschont.«
Sie würden das ganze Land an sich nehmen?
»Und was ist mit Lakshish? Und Qisilee?«
»Menschen aus unseren Stämmen werden zu den Pelesti in diese Städte ziehen. Wir werden unsere eigenen Tempel bauen, unseren Gott verehren und von eurem Volk die Künste der Erzschmelze, des Töpferns und Färbens lernen ... jene gottlosen Kleinigkeiten, die für jede Nation, ganz gleich welcher Größe, bedeutsam sind.«
Eine friedliche Invasion. »Und was ist mit Wadia?«
Seine Augen wurden schmal, tasteten mich ab und schwenkten dann auf das Wasser in meinem Rücken, die auf den Strand klatschenden Wellen. »Ich nehme dich stattdessen.«
Adrenalin schoss durch meine Adern. Schlagartig war mir so kalt, dass ich fast bibberte. »Mich?«
»Du bist das Oberhaupt von Ashqelon. Wenn wir dich mitnehmen, haben sie niemanden mehr, dem sie folgen können. Mehr noch, wenn du unsere Geisel bist, dann wird der junge Wadia jede seiner Taten genau überlegen.«
»Das wird er nicht mehr, wenn ihr mich tötet«, wandte ich ein. Meine Stimme klang fest, was ein wahres Wunder war. Innerlich lag ich am Boden.
Er lächelte. »Ich will dich nicht töten, ich will, dass deine überheblichen Hände mich bedienen.«
Irgendwo fiel klirrend ein Krug zu Boden.
»Was?«
»Du, haDerkato, bist die größte Trophäe überhaupt«, erklärte er mit einem Wolfslächeln. »Eine Göttin, die als Sklavin in meinem Hause dient.«
»Mein Gemahl ...«, flüsterte ich wie vor den Kopf geschlagen.
Er zuckte mit den Achseln. »Ihr gehört einer unbeschnittenen Rasse an. Ich bin kein Samson, der sich von den Reizen einer Pelesti betören lässt.« Sein Blick war voller Verachtung. »Deinen Gemahl können wir ebenso leicht versklaven. Ihr könnt euch vereinigen und mir noch mehr Sklaven schenken, das ist mir egal.« Er drehte seinen Becher um, ein Zeichen, dass die Unterhaltung beendet war. »Doch du wirst mir dienen.«
Es hieß also ich oder Wadia? Wie hatte ich bloß derart in die Klemme geraten können? Mich ging die ganze Sache doch gar nichts an! Scheiße, Scheiße, Scheiße. »Was wird aus der Stadt und den Menschen?« Den wenigen Überlebenden.
»Um mein Gesicht und meinen Stolz zu wahren, muss ich alle übrigen Männer töten.«
Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, klappte ihn dann aber wieder zu. »Weiter.«
»Ich werde die Hälfte der Bevölkerung versklaven und dazu alle eure Sklaven mitnehmen.«
Die Hälfte der übrig gebliebenen Frauen, dachte ich, und Cheftu noch dazu. »Weiter.«
»Wir werden die Hälfte eurer Felder niederbrennen, doch die Stadt werden wir unversehrt lassen.«
Ich schluckte. »Weiter.«
»Lakshish wird unberührt bleiben, doch auf den Feldern zwischen den beiden Städten werden meine Männer wohnen.«
Genau wie ich gedacht hatte! Er würde das ganze Land annektieren und die Pelesti in ihre Städte einsperren wie in Ghettos. Angenehme, schöne Ghettos, aber trotzdem Ghettos.
»Lakshish wird uns während der Erntezeit beherbergen. Genau wie Qisilee. Ashdod, nun ja, ich glaube, die Lehre von Ashqelon -«
»Du meinst, die Zerstörung von Ashqelon.«
Er sah mich an. »Die Eroberung von Ashqelon wird den übrigen Städten deutlich genug zeigen, dass wir von nun an die Herren über euer Land sind.« Er rieb sich mit den Händen über die Schenkel. »Meine Männer sind müde, sie sehnen sich nach ihren Frauen und nach der Kühle des Berglandes. Auf diese Weise sollte der Ehre beider Seiten Genüge getan sein.«
Konnte ich ihn nicht einfach umbringen? Konnte ich ihn nicht einfach umbringen und dann abhauen? »Schwöre, dass ihr die Frauen weder töten noch schänden werdet«, verlangte ich leise. Mir war klar, dass ich die Männer, die wenigen noch lebenden alten und jungen Männer, nicht retten
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